Im Durchschnitt kränker
In Berlin und Brandenburg liegt der Krankenstand höher als im Bundesvergleich
Krankenkassen und Politik haben am Mittwoch den länderübergreifenden Gesundheitsbericht vorgestellt. Der demografische Wandel ist eine große Herausforderung. Sind die Arbeitsbedingungen in Berlin schlechter? Ist die Gesundheitsversorgung defizitär? Bei der Berliner Gesundheitsstaatssekretärin Emine Demirbüken-Wegner wirft der Gesundheitsbericht für die Jahre 2012 und 2013 vor allem Fragen auf. Wie schon früher lag der Krankenstand in Berlin 2013 bei 4,7 Prozent, in Brandenburg sogar bei 5,3 Prozent, während im Bundesschnitt nur 4 Prozent der Arbeitnehmer krank sind. »Das klingt zunächst wenig, aber das sind in der Region 20 bis 30 Prozent mehr als im Bund«, sagt Frank Michalak von der AOK Nordost. Im Bericht wird daraus ein Produktionsausfall von 3,1 Milliarden Euro errechnet.
Allein ein Viertel aller Fehltage kommt durch Muskel-Skelett-Erkrankungen wie Bandscheibenschäden oder Rückenschmerzen zusammen, Atemwegserkrankungen sind die Ursache für etwas weniger als ein Fünftel der Fehltage. Zu den vier wichtigsten Erkrankungsgruppen gehören außerdem psychische Störungen sowie Verletzungen und Vergiftungen.
Einsamer Spitzenreiter mit einem Krankenstand von 7,4 Prozent ist in Berlin die öffentliche Verwaltung. Es folgt das Gesundheitswesen (5,6 Prozent) sowie Dienstleistungen für Unternehmen (5,4 Prozent). In Brandenburg liegen das Verkehrs- und Lagergewerbe (6,7 Prozent) und die öf- fentliche Verwaltung (6,6 Prozent) nahezu gleichauf. Ebenso die Unternehmensdienstleistungen (5,9 Prozent) und das Gesundheitswesen (5,8 Prozent).
Als »traurige Botschaft« beschreibt Kai Uwe Bindseil, der bei »Berlin Partner« für die Gesundheitswirtschaft zuständig ist, den Umstand, dass »gerade Menschen, die uns gesunden lassen sollen, selber besonders von Krankheit betroffen sind«. Die Gesundheitswirtschaft sei sowieso ein Bereich, der etwas Not leide, sagt Frank Michalak. »Es besteht die Gefahr, dass wir zu viele Arbeitskräfte verlieren«, warnt er.
Den Arbeitsschutz bezeichnet die brandenburgische Gesundheitsstaatssekretärin Almuth HartwigTiedt als Schwerpunkt in der Prävention. In Betrieben könne schon mit wenig Aufwand viel erreicht werden, so habe man in Feuerwachen beraten, wie Schichtpläne möglichst mitarbeiterfreundlich erstellt werden.So richtig erklären kann sie die hohen Zahlen auch nicht, aber immerhin beim Thema Schlaganfall kann sie etwas sagen. »Die Brandenburger melden sich einfach zu spät beim Arzt«, habe sie immer wieder von Medizinern bestätigt bekommen. Das habe auch etwas mit dem Verhältnis zum eigenen Körper zu tun.
Da schwerwiegende Erkrankungen vor allem im Alter zunehmen, stellt der demografische Wandel eine große Herausforderung dar. »Wir haben eine gute Versorgung für akut Kranke, relativ schwach sieht es bei Chronikern aus«, sagt Franz Knieps vom Dachverband der Betriebskrankenkassen. »Ähnlich dem nationalen Krebsplan muss ein Masterplan für langwierige und chronische Leiden erarbeitet werden«, fordert er.
Ein besonderes Augenmerk müsste auch auf die Behandlung psychischer Erkrankungen gelegt werden, die häufigste Ursache für Frühverrentungen in der Region. »Es gibt schon häufig Schwierigkeiten, in angemessener Zeit eine Erstversorgung zu bekommen, geschweige denn eine Langzeitbehandlung«, sagt Knieps.