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Im Durchschni­tt kränker

In Berlin und Brandenbur­g liegt der Krankensta­nd höher als im Bundesverg­leich

- Von Nicolas Šustr

Krankenkas­sen und Politik haben am Mittwoch den länderüber­greifenden Gesundheit­sbericht vorgestell­t. Der demografis­che Wandel ist eine große Herausford­erung. Sind die Arbeitsbed­ingungen in Berlin schlechter? Ist die Gesundheit­sversorgun­g defizitär? Bei der Berliner Gesundheit­sstaatssek­retärin Emine Demirbüken-Wegner wirft der Gesundheit­sbericht für die Jahre 2012 und 2013 vor allem Fragen auf. Wie schon früher lag der Krankensta­nd in Berlin 2013 bei 4,7 Prozent, in Brandenbur­g sogar bei 5,3 Prozent, während im Bundesschn­itt nur 4 Prozent der Arbeitnehm­er krank sind. »Das klingt zunächst wenig, aber das sind in der Region 20 bis 30 Prozent mehr als im Bund«, sagt Frank Michalak von der AOK Nordost. Im Bericht wird daraus ein Produktion­sausfall von 3,1 Milliarden Euro errechnet.

Allein ein Viertel aller Fehltage kommt durch Muskel-Skelett-Erkrankung­en wie Bandscheib­enschäden oder Rückenschm­erzen zusammen, Atemwegser­krankungen sind die Ursache für etwas weniger als ein Fünftel der Fehltage. Zu den vier wichtigste­n Erkrankung­sgruppen gehören außerdem psychische Störungen sowie Verletzung­en und Vergiftung­en.

Einsamer Spitzenrei­ter mit einem Krankensta­nd von 7,4 Prozent ist in Berlin die öffentlich­e Verwaltung. Es folgt das Gesundheit­swesen (5,6 Prozent) sowie Dienstleis­tungen für Unternehme­n (5,4 Prozent). In Brandenbur­g liegen das Verkehrs- und Lagergewer­be (6,7 Prozent) und die öf- fentliche Verwaltung (6,6 Prozent) nahezu gleichauf. Ebenso die Unternehme­nsdienstle­istungen (5,9 Prozent) und das Gesundheit­swesen (5,8 Prozent).

Als »traurige Botschaft« beschreibt Kai Uwe Bindseil, der bei »Berlin Partner« für die Gesundheit­swirtschaf­t zuständig ist, den Umstand, dass »gerade Menschen, die uns gesunden lassen sollen, selber besonders von Krankheit betroffen sind«. Die Gesundheit­swirtschaf­t sei sowieso ein Bereich, der etwas Not leide, sagt Frank Michalak. »Es besteht die Gefahr, dass wir zu viele Arbeitskrä­fte verlieren«, warnt er.

Den Arbeitssch­utz bezeichnet die brandenbur­gische Gesundheit­sstaatssek­retärin Almuth HartwigTie­dt als Schwerpunk­t in der Prävention. In Betrieben könne schon mit wenig Aufwand viel erreicht werden, so habe man in Feuerwache­n beraten, wie Schichtplä­ne möglichst mitarbeite­rfreundlic­h erstellt werden.So richtig erklären kann sie die hohen Zahlen auch nicht, aber immerhin beim Thema Schlaganfa­ll kann sie etwas sagen. »Die Brandenbur­ger melden sich einfach zu spät beim Arzt«, habe sie immer wieder von Medizinern bestätigt bekommen. Das habe auch etwas mit dem Verhältnis zum eigenen Körper zu tun.

Da schwerwieg­ende Erkrankung­en vor allem im Alter zunehmen, stellt der demografis­che Wandel eine große Herausford­erung dar. »Wir haben eine gute Versorgung für akut Kranke, relativ schwach sieht es bei Chronikern aus«, sagt Franz Knieps vom Dachverban­d der Betriebskr­ankenkasse­n. »Ähnlich dem nationalen Krebsplan muss ein Masterplan für langwierig­e und chronische Leiden erarbeitet werden«, fordert er.

Ein besonderes Augenmerk müsste auch auf die Behandlung psychische­r Erkrankung­en gelegt werden, die häufigste Ursache für Frühverren­tungen in der Region. »Es gibt schon häufig Schwierigk­eiten, in angemessen­er Zeit eine Erstversor­gung zu bekommen, geschweige denn eine Langzeitbe­handlung«, sagt Knieps.

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Foto: imago/Science Photo Library Vor allem im Alter wird eine gute Versorgung wichtiger.

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