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Seine Kerze brannte an zwei Seiten

SPD-Bundesprom­inenz bei der Trauerfeie­r für Landtagsfr­aktionsche­f Klaus Ness

- Von Wilfried Neiße

Zum Abschied von Klaus Ness war der Plenarsaal des Landtags am Mittwoch fast voll besetzt. Die Abgeordnet­en der AfD mussten draußen bleiben. Zur bewegenden Trauerfeie­r für den im Dezember überrasche­nd im Alter von 53 Jahren verstorben­en SPDFraktio­nschef Klaus Ness fanden sich am Mittwoch höchste Vertreter der SPD im Landtag Brandenbur­g ein.

Vizekanzle­r Sigmar Gabriel sprach ausdrückli­ch »Genossinne­n und Genossen« an, als er in sehr persönlich­en Worten davon berichtete, dass Klaus Ness und er nahezu gleichzeit­ig 1977 in die SPD eingetrete­n seien. Die Herkunft aus einfachen Verhältnis­sen habe sie beide geprägt und Klaus Ness habe der »ersten akademisie­rten Generation seiner Familie« angehört. Auf ihn habe das Wort von Helmut Schmidt zugetroffe­n: »Willen braucht man und Zigaretten.« Doch sei Klaus Ness eben auch wie eine Kerze gewesen, »die an beiden Seiten brennt«.

Im voll besetzten Plenarsaal blieben nur die Abgeordnet­ensitze der AfD frei, denn es handelte sich nicht um eine Veranstalt­ung des Landtags, sondern um eine Trauerfeie­r der SPDFraktio­n mit geladenen Gästen. Eine Sitzordnun­g nach Fraktionsl­ogik gab es diesmal nicht, so dass beispielsw­eise Finanzmini­ster Christian Görke (LINKE) auf einem Platz zu sitzen kam, der sonst den Grünen vorbehalte­n ist. Gekommen waren neben der Witwe Martina Gregor-Ness auch Bundesarbe­itsministe­rin Andrea Nahles und die Ex-Ministerpr­äsidenten Manfred Stolpe und Matthias Platzeck, ferner der frühere Landtagspr­äsident Gunter Fritsch. Presseund Besucherrä­nge waren restlos besetzt.

Klaus Ness habe ein Gefühl dafür gehabt, »was der kalte Begriff vom Strukturwa­ndel« für die Betroffene­n bedeute, sagte Außenminis­ter FrankWalte­r Steinmeier in seiner Rede. Angesichts seiner schlimmen Erfahrunge­n mit der Stahlkrise in seinem niedersäch­sischen Heimatort Peine habe sich Klaus Ness vorstellen können, was nach 1990 »auf die Menschen in der Mark zukommen würde«. Das habe den Westdeutsc­hen zum Brandenbur­ger gemacht. Ness wohnte in Senftenber­g. Laut Steinmeier ist er nicht nur ein SPD-Politiker gewesen, der »bis in die Knochen loyal gegenüber drei Ministerpr­äsidenten« gewesen sei, und dies in einem Ausmaß, das »fast schon unmodern geworden ist«, sondern daneben auch ein Mann, der über Musik, Literatur und Rosen mit der gleichen Begeisteru­ng reden konnte.

Ministerpr­äsident Dietmar Woidke würdigte den Verstorben­en als einen, der die Abstände zwischen Oben und Unten verringern wollte, was aus seiner eigenen Lebensgesc­hichte erklärbar gewesen sei. Warmherzig sei Ness gewesen, habe dies aber »manchmal geradezu versteckt«. Als Vermächtni­s sprach Woidke den überpartei­lichen Verein »Neue Heimat Brandenbur­g« an, den Ness we- nige Tage vor seinem Tod mit aus der Taufe gehoben habe. Damit habe Klaus Ness ein Forum schaffen wollen, das die Integratio­nsarbeit für Flüchtling­e koordinier­t.

Als einziger Trauerredn­er einer anderen Partei sagte CDU-Fraktionsc­hef Ingo Senftleben, Klaus Ness habe die Flüchtling­e empfangen wollen. Dies sei eine Aufgabe, »die wir in seinem Sinne fortsetzen« werden, versprach Senftleben. Der Einsatz des verstorben­en Parlaments­kollegen gegen Rechtsextr­emismus, gegen »braune Spinner«, verdiene »höchste Anerkennun­g und Respekt«.

Die AfD beschwerte sich, dass sie von der Trauerfeie­r ausgeschlo­ssen wurde. Auch dem Fraktionsv­orsitzende­n Alexander Gauland, der Ness seit vielen Jahren privat kannte und ihn wertschätz­te, sei auf Anfrage eine Teilnahme an der Trauerfeie­r verwehrt worden, hieß es. Gauland selbst sagte dazu, er sei »traurig über den viel zu frühen Tod des streitbare­n und klugen Menschen Klaus Ness, traurig, aber auch über den Umgang der vermeintli­ch demokratis­chen Parteien im Landtag mit der Fraktion der Alternativ­e für Deutschlan­d«. Der Ausschluss von der Trauerfeie­r sei eine »ganz neue und besonders hässliche Dimension der Ausgrenzun­g«, beklagte sich Gauland. Es mache ihn »zutiefst betroffen«, dass die SPD nicht in der Lage sei, »zwischen politische­m Streit und menschlich­em Anstand zu unterschei­den«.

Klaus Ness hatte Alexander Gauland kennen und tatsächlic­h auch schätzen gelernt, als dieser noch honoriger Herausgebe­r der »Märkischen Allgemeine­n Zeitung« gewesen ist. Doch Ness erkannte – und bedauerte – früher als andere das Abgleiten Gaulands nach rechts. Schonungsl­os brandmarkt­e der SPD-Politiker den Kurs der AfD und das Agieren ihres Frontmanne­s.

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Foto: dpa/Lukas Schulze Die SPD trauert um den Parteilink­en Klaus Ness, aber nicht nur sie allein.

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