Große Schritte auf den letzten Metern
Volksbegehren gegen Massentierhaltung benötigt noch massenhaft Unterschriften, hat aber eine Chance
Kurz vor dem Start der Internationalen Grünen Woche in Berlin berichten der Agrarminister und der Landesbauernpräsident von den Schwierigkeiten der märkischen Milchviehhalter. Bei der Internationalen Grünen Woche unter dem Berliner Funkturm bereitet der Landhasthof »Zum Löwen« den Besuchern der Brandenburghalle 21 A seinen Löwenbrucher Biergulasch nach Omas Rezept zu. Dazu gehört bei einem Kessel für vier Personen ein halber Liter Pils. Der Alkohol verflüchtigt sich beim Kochen, doch das helle Bier sorgt für die spezielle Geschmacksnote. Ein Teller davon mundet wirklich ganz vorzüglich, zeigte eine Verkostung am Mittwoch in der Potsdamer Staatskanzlei.
Dort informierte Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) über den Auftritt des Bundeslandes auf der Grünen Woche, die vom 15. bis 24. Januar stattfindet. Die Brandenburghalle bietet Platz für 78 Marktstände. Viele der rund 200 Aussteller teilen sich einen Marktstand. Außerdem gibt es noch Agrarfirmen aus Brandenburg, die ihren Platz in anderen Hallen gefunden haben, so 15 Ökobauern in der Biohalle.
Erstmals dabei ist die Molkerei Hemme Milch aus der Uckermark. Die Milchbauern haben es im Moment sehr schwer. Schon die 30 Cent, die sie normalerweise je Liter Milch erhalten würden, wären nicht kostendeckend, erklärt Landesbauernpräsident Udo Folgart. Doch die Milchviehhalter errechneten, dass die Preise allein vier Cent nachgaben durch das Handelsembargo, das im Jahr 2014 im Zuge der Ukrainekrise gegen Russland verhängt wurde.
Es steht nicht in der Macht von Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD), das Embargo aufzuheben oder wenigstens zu lockern. Er kann nur hoffen, das dies geschieht. Es gebe immerhin weiter Kontakt zu »unseren russischen Freunden«, betonte Vogelsänger. Sanktionen treffen nicht den Präsidenten Wladimir Putin, sondern die russische Bevölkerung und umgekehrt nicht Bundeskanzlerin Angela Merkel, sondern die Milchbauern, ist Vogelsänger überzeugt.
Die Landwirte profitierten früher vom Export von Käse nach Moskau und Sankt Petersburg. Jetzt sind sie unfreiwillig aus der Lieferkette ausgeschieden, bedauert Bauernpräsident Folgart. Selbst wenn das Embargo bald fallen würde, wäre es nicht einfach, diejenigen wieder aus der Lieferkette zu verdrängen, die inzwischen eingesprungen sind.
23 Milchviehbetriebe sind 2015 eingegangen. Doch die verbliebenen rund 400 Betriebe halten insgesamt etwa genauso viele Tiere, wie es früher schon im Bundesland gegeben hat. Im Schnitt sind es inzwischen mehr als 300 Milchkühe pro Betrieb.
Die Massentierhaltung ist auch bei Schweinen und Geflügel umstritten. Sie kann eine Quälerei sein, und außerdem führen übergroße Ställe zu Umweltbelastungen. Noch bis zum 14. Januar läuft in Brandenburg ein Volksbegehren gegen Massentierhaltung, das vom Aktionsbündnis Agrarwende angeschoben wurde. Sechs Monate Zeit sind gewesen, um die notwendigen 80 000 Unterschriften zusammenzubringen. »Es wird spannend«, meint Sprecher Michael Wim- mer. Zur Halbzeit hatte die stellvertretende Landeswahlleiterin Iris Lübke am 16. Oktober mitgeteilt, dass 31 599 Unterschriften vorliegen. Da eine weitere offizielle Zwischenbilanz nicht geplant war, fragte das Aktionsbündnis Anfang Dezember selbst bei den kommunalen Wahlämtern nach. Zwei Drittel der Ämter übermittelten daraufhin Zahlen und das Aktionsbündnis rechnete hoch, dass zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich etwa 56 000 Unterschriften geleistet waren und knapp 15 000 Bürger um Briefwahlunterlagen gebeten, sie aber noch nicht ausgefüllt eingesendet hatten.
Demnach fehlen jetzt vielleicht noch 10 000 Unterschriften, erklärt Wimmer. Er gibt zu, dass ihn die Zahl 56 000 zunächst erschreckt habe, bis ihm ein Experte sagte, dies sei gar nicht mal so schlecht, da Volksbegehren erfahrungsgemäß »auf den letzten Metern große Schritte machen«. Jetzt sei es zu spät, noch Briefwahlunterlagen zu beantragen, warnt Wimmer. Jetzt müsste man bereits erhaltene Formulare, wenn sie noch zu Hause liegen, sofort in den Briefkasten werfen – oder ins Rathaus beziehungsweise in die Gemeindeverwaltung gehen und dort unterschreiben.
»Wir sind auf alle Fälle hochzufrieden, wie es gelaufen ist«, bekennt Wimmer schon einmal. Schließlich habe man nur ein schmales Budget von 150 000 Euro gehabt. Zum Vergleich: Die Werbekampagne für das Volksbegehren gegen neue Tagebaue kostete in den Jahren 2008 und 2009 offiziell 160 000 Euro, angeblich sogar 400 000 Euro. Trotzdem erzielte es nur 25 168 Unterschriften.