Aus der Einsamkeit zu Olympia
Volleyballer Georg Grozer jagt Rekorde in Südkorea
»Meine Schwiegermama hat zum ersten Mal ein Spiel von mir gesehen. Und wenn sie da ist, darf ich nicht verlieren, sonst bekomme ich zu Hause Ärger«, witzelte Deutschlands bester Volleyballer Georg Grozer nach dem 3:0-Sieg gegen Belgien am Dienstag. Der Auftakt der Olmpiaqualifikation in Berlin war dank des familiären »Zwangsglücksbringers« also gelungen, obwohl Grozer auch selbstkritisch anmerkte, dass er mit sich unzufrieden war: »Ich habe meinen Rhythmus noch nicht gefunden. Da muss ich in den nächsten Tagen besser werden.«
Dass es mit dem Rhythmus in der Nationalmannschaft noch nicht so klappt, liegt vor allem daran, dass Grozer seit ein paar Monaten in der südkoreanischen VLeague spielt. Die ist international nicht auf dem höchsten Niveau, aber Grozer hatte kaum eine Wahl. Bis zum Sommer hatte der 31-Jährige für den russischen Spitzenklub Belgorie Belgorod mehrere Titel gesammelt. Doch der Klub war nun nicht mehr sicher, ob er den Deutschen weiter bezahlen könne. Also lieh Belgorod Grozer an die Daejeon Bluefangs aus, und der Deutsche musste gehen.
Mittlerweile hat er sich damit angefreundet, sagt er: »Es macht mir Spaß, mal wieder Rekorde zu jagen.« Grozer führt klar die Punkteliste an und stellte mit neun Assen in einem Match schon eine neue Bestmarke auf. Musste er sich sonst die Angriffslast mit den Nebenspielern teilen, geht in Daejeon fast alles über den gebürtigen Ungarn. »Dagegen wird mir hier in der Nationalmannschaft manchmal sogar kalt auf dem Feld«, sagt Grozer, obwohl auch am Dienstagabend noch die meisten deutschen Angriffe von ihm abgeschlossen wurden. Mit 19 Punkten war er der erfolgreichste Spieler auf dem Feld.
Bundestrainer Vital Heynen mochte Grozers Wechsel gar nicht. »Ich sähe es lieber, wenn einer der besten Spieler der Welt in der besten Liga der Welt spielt«, sagt er, aber ändern kann er es eben auch nicht. »Es war eine wirtschaftliche Entscheidung, das muss man verstehen. Und Georg ist zumindest topfit. Ohne ihn hätte ich ein riesiges Problem«, gibt Heynen zu.
Grozer soll das deutsche Team in Berlin bis Sonntag mindestens unter die ersten drei von acht Mannschaften schmettern, damit der Olympiatraum nicht endet. Dafür kommt selbst die Schwiegermutter vorbei. Noch wichtiger ist Grozer aber, dass er endlich auch seine eigene Kleinfamilie wiedersieht. »Meine Frau und meine Kinder sind da. Wir haben uns für die Zeit hier eine Wohnung gemietet«, sagt Grozer und strahlt. Denn sonst lebt die Familie durch acht Zeitzonen getrennt voneinander und redet nur über das Internet. »Wir skypen täglich, wenn die Kinder morgens aufstehen«, sagt Grozer. Danach geht er ins Bett. Und wenn die Kleinen aus der Schule kommen, steht er wieder auf und macht den Laptop an.
In Südkorea beschränkt sich seine Kommunikation ansonsten auf die Gespräche mit seinem Übersetzer. »Er gibt sich wirklich viel Mühe, dass es mir gut geht, aber an manchen Tagen fühle ich mich doch ziemlich einsam«.