nd.DerTag

In der Theorie bestanden

- Ines Wallrodt über die Rechtmäßig­keit der Sicherungs­verwahrung

Die Bundesregi­erung kann aufatmen: Die Neuregelun­g ihrer Vorgänger zur Sicherungs­verwahrung kann aus Sicht der europäisch­en Menschenre­chtsrichte­r bleiben, wie sie ist. Damit ist die wichtige Reformdeba­tte über eines der härtesten Instrument­e des Strafrecht­s wohl auf absehbare Zeit beendet, ohne dass Alternativ­en hinreichen­d geprüft worden sind. Und an der Macht der Gutachter und ihrer Gefährlich­keitsprogn­osen dürfte sich kaum etwas geändert haben. Ob sie zutreffen, weiß niemand, weil Gerichte im Zweifel lieber für die Fortdauer der Verwahrung plädieren, als die einstigen Straftäter sich bewähren zu lassen. Der nun gescheiter­te Kläger ist deshalb seit bald 30 Jahren eingesperr­t. Für ihn ist die Niederlage besonders bitter, weil er zu den »Altfällen« gehört, von denen einige in Freiheit entlassen werden mussten, weil das alte Gesetz rechtswidr­ig war. Nun wurde der Freiheitse­ntzug der Verblieben­en offenbar sauberer begründet. Unzweifelh­aft hat sich auch einiges verbessert an den Lebensbedi­ngungen in Sicherungs­verwahrung, die sich unterschei­den müssen von der Strafhaft. Ob sie aber tatsächlic­h die höheren Ansprüche erfüllen und vor allem eine reale Chance auf Freiheit eröffnen, haben die Straßburge­r Richter nicht geprüft. Grundlage war lediglich der Wortlaut des Gesetzes. Und kaum irgendwo weichen Anspruch und Wirklichke­it so leicht voneinande­r ab wie hinter dicken Mauern.

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