Großstallboom in Thüringen ungebrochen
Nicht nur Anwohner beschleicht Unbehagen, wenn immer neue Großställe gebaut werden. Doch diese Entwicklung hält trotz des Regierungswechsels vor gut einem Jahr auch in Thüringen an. Wenn die Pläne von Richard Wermuth wahr werden, dann entsteht vor den Toren der thüringischen Stadt Altenburg eine neue MegaTiermastanlage. Zwei Vollzeitkräfte sollen dort etwa 200 000 Tiere in rund 40 Tagen vom Küken zum schlachtreifen Hühnchen mästen. Etwa vier Millionen Euro will Wermuth dazu investieren. »Wir produzieren das, was der Markt verlangt«, verteidigt er das Vorhaben gegen Kritik.
Denn Pläne für Erweiterungen oder Neubauten von Ställen stoßen auch im Bratwurstland Thüringen regelmäßig auf Widerstand. Zwar hat Rot-Rot-Grün im Koalitionsvertrag vereinbart, »den weiteren Zubau großer Intensivtierhaltungsanlagen« nicht zu unterstützen. Doch unverdrossen werden weitere Großställe geplant und genehmigt.
Allein 2015 hat das Landesverwaltungsamt bis Mitte Dezember sechs Genehmigungen erteilt, darunter den Neubau einer Putenmastanlage für 48 600 Tiere in Altenburg sowie den Ausbau eines Geflügelbetriebs von knapp 70 000 auf mehr als 82 000 Plätze im nahe gelegenen Meuselwitz. Neun weitere Genehmigungen wurden 2015 beantragt, etliche weitere Vorhaben sind schon länger im Genehmigungsverfahren.
»Das Tierwohl hängt nicht allein von der Größe einer Tierhaltung ab und deshalb kann eine Lösung nicht nur in der Reduzierung der Tierbestandsgrößen gefunden werden«, betont Agrarministerin Birgit Keller (LINKE). Sie verweist auf strengere Regeln, die seit diesem Jahr für die Investitionsförderung gelten. Auf Obergrenzen bei der Tierzahl sei dabei bewusst verzichtet worden. »Im Fokus der Förderung stehen somit besonders tierwohlorientierte Investitionen.« Nach früheren Aussagen sollte durch die Umstellung der Förderung neuen Großstallprojekten das Wasser abgegraben und das Geld bevorzugt vergleichsweise kleineren Anlagen zugutekommen.
Doch für Unmut sorgt bei den Bauern weniger die Förderpolitik des Agrarressorts, sondern vielmehr die Vorhaben des grün-geführten Umweltministeriums – die geplante Wasserabgabe, ebenso der Filtererlass für Schweineställe. »Es ist verkehrt, dass Thüringen bei diesem Thema im Alleingang vorprescht«, sagt Bauernpräsident Helmut Gumpert. Die Thüringer Bauern würden durch die Filterpflicht mit zusätzlichen Kosten von 150 Millionen Euro belastet. »Da werden manche sagen: Dann muss ich den Betrieb zumachen.« Der Verband baut nun auf ein geplantes Spitzentreffen mit Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) und den beteiligten Ministerien.
Befürworter einer Filterpflicht versprechen sich davon mehr Akzeptanz von Ställen bei Anwohnern, weil die Anlagen dann weniger Gestank und Stickstoff in die Umgebung verbreiten. Denn auch Dorfbewohner sind inzwischen oft wenig begeistert von Großställen in der Nachbarschaft. Allein gegen Wermuths neue Hähnchenmastanlage in Gleina gingen laut Landesverwaltungsamt 780 Eingaben ein. Dabei wurde sowohl das Vorhaben an sich kritisiert, als auch negative Folgen für Gesundheit und Umwelt geltend gemacht, wie eine Behördensprecherin erklärte. Die Gegner haben auch eine Petition im Internet gestartet.
Bei den Planungen seien einige Biotope nicht berücksichtigt worden, erklärt Mike Jessat, Landesvorsitzender des Naturschutzbundes NABU. Zudem sei nicht untersucht worden, welche Auswirkung der Bau auf geschützte Fledermausarten habe.