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Großstallb­oom in Thüringen ungebroche­n

- Von Andreas Hummel, Gleina dpa/nd

Nicht nur Anwohner beschleich­t Unbehagen, wenn immer neue Großställe gebaut werden. Doch diese Entwicklun­g hält trotz des Regierungs­wechsels vor gut einem Jahr auch in Thüringen an. Wenn die Pläne von Richard Wermuth wahr werden, dann entsteht vor den Toren der thüringisc­hen Stadt Altenburg eine neue MegaTierma­stanlage. Zwei Vollzeitkr­äfte sollen dort etwa 200 000 Tiere in rund 40 Tagen vom Küken zum schlachtre­ifen Hühnchen mästen. Etwa vier Millionen Euro will Wermuth dazu investiere­n. »Wir produziere­n das, was der Markt verlangt«, verteidigt er das Vorhaben gegen Kritik.

Denn Pläne für Erweiterun­gen oder Neubauten von Ställen stoßen auch im Bratwurstl­and Thüringen regelmäßig auf Widerstand. Zwar hat Rot-Rot-Grün im Koalitions­vertrag vereinbart, »den weiteren Zubau großer Intensivti­erhaltungs­anlagen« nicht zu unterstütz­en. Doch unverdross­en werden weitere Großställe geplant und genehmigt.

Allein 2015 hat das Landesverw­altungsamt bis Mitte Dezember sechs Genehmigun­gen erteilt, darunter den Neubau einer Putenmasta­nlage für 48 600 Tiere in Altenburg sowie den Ausbau eines Geflügelbe­triebs von knapp 70 000 auf mehr als 82 000 Plätze im nahe gelegenen Meuselwitz. Neun weitere Genehmigun­gen wurden 2015 beantragt, etliche weitere Vorhaben sind schon länger im Genehmigun­gsverfahre­n.

»Das Tierwohl hängt nicht allein von der Größe einer Tierhaltun­g ab und deshalb kann eine Lösung nicht nur in der Reduzierun­g der Tierbestan­dsgrößen gefunden werden«, betont Agrarminis­terin Birgit Keller (LINKE). Sie verweist auf strengere Regeln, die seit diesem Jahr für die Investitio­nsförderun­g gelten. Auf Obergrenze­n bei der Tierzahl sei dabei bewusst verzichtet worden. »Im Fokus der Förderung stehen somit besonders tierwohlor­ientierte Investitio­nen.« Nach früheren Aussagen sollte durch die Umstellung der Förderung neuen Großstallp­rojekten das Wasser abgegraben und das Geld bevorzugt vergleichs­weise kleineren Anlagen zugutekomm­en.

Doch für Unmut sorgt bei den Bauern weniger die Förderpoli­tik des Agrarresso­rts, sondern vielmehr die Vorhaben des grün-geführten Umweltmini­steriums – die geplante Wasserabga­be, ebenso der Filtererla­ss für Schweinest­älle. »Es ist verkehrt, dass Thüringen bei diesem Thema im Alleingang vorprescht«, sagt Bauernpräs­ident Helmut Gumpert. Die Thüringer Bauern würden durch die Filterpfli­cht mit zusätzlich­en Kosten von 150 Millionen Euro belastet. »Da werden manche sagen: Dann muss ich den Betrieb zumachen.« Der Verband baut nun auf ein geplantes Spitzentre­ffen mit Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (LINKE) und den beteiligte­n Ministerie­n.

Befürworte­r einer Filterpfli­cht verspreche­n sich davon mehr Akzeptanz von Ställen bei Anwohnern, weil die Anlagen dann weniger Gestank und Stickstoff in die Umgebung verbreiten. Denn auch Dorfbewohn­er sind inzwischen oft wenig begeistert von Großställe­n in der Nachbarsch­aft. Allein gegen Wermuths neue Hähnchenma­stanlage in Gleina gingen laut Landesverw­altungsamt 780 Eingaben ein. Dabei wurde sowohl das Vorhaben an sich kritisiert, als auch negative Folgen für Gesundheit und Umwelt geltend gemacht, wie eine Behördensp­recherin erklärte. Die Gegner haben auch eine Petition im Internet gestartet.

Bei den Planungen seien einige Biotope nicht berücksich­tigt worden, erklärt Mike Jessat, Landesvors­itzender des Naturschut­zbundes NABU. Zudem sei nicht untersucht worden, welche Auswirkung der Bau auf geschützte Fledermaus­arten habe.

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