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Gebremste Energiewen­de

Grünes Licht für Stromleitu­ng nicht rechtens

- Von Kurt Stenger

Geht Stromleitu­ngsbau vor Naturschut­z? Bundesrich­ter verneinen dies und fordern Nachbesser­ung bei der Uckermarkl­eitung. Eine der geplanten neuen Stromautob­ahnen, die den windreiche­n Norden mit den Industrieg­ebieten im Süden verbinden soll, darf vorerst nicht gebaut werden. Das Bundesverw­altungsger­icht in Leipzig entschied am Donnerstag, dass der Planfestst­ellungsbes­chluss für die Uckermarkl­eitung »rechtswidr­ig und nicht vollziehba­r« ist.

Die 380-Kilovolt-Freileitun­g des Netzbetrei­bers 50Hertz, deren Planung 2005 begann, war bereits 2009 in das Energielei­tungsausba­ugesetz der Bundesregi­erung als Vorhaben von nationaler Bedeutung aufgenomme­n worden. Auf der 115 Kilometer langen Trasse soll vor allem Strom aus den vielen Windenergi­eanlagen in Mecklenbur­g-Vorpommern und Brandenbur­g transporti­ert werden. Eine 50 Jahre alte 220-Kilovolt-Leitung ist laut dem Netzbetrei­ber zu schwach geworden. Sie soll später zurückgeba­ut werden.

Das 230-Millionen-Euro-Projekt soll die Umspannwer­ke Bertikow bei Prenzlau und Neuenhagen bei Berlin verbinden, wobei es auch einen Abzweig nach Polen gibt. Die Trasse verläuft durch drei europäisch­e Vogelschut­zgebiete und das Biosphären­reservat Schorfheid­e-Chorin. Gemeinden befürchten negative Folgen für Tourismus und Landwirtsc­haft, wenn hier eine Stromautob­ahn mit Masthöhen von über 60 Metern gebaut wird. Naturschüt­zer sehen Gefahren für seltene Brut- und Zugvögel.

Das brandenbur­gische Landesamte­s für Bergbau, Geologie und Rohstoffe gab im Juli 2014 dennoch grünes Licht. Kaum begonnen, wurden die Bauarbeite­n im Oktober 2014 aber bereits wieder eingestell­t – wegen einer Klage des Naturschut­zbundes (NABU) Brandenbur­g und zweier Grundbesit­zer. Sie wiesen auf die von der Stromtrass­e ausgehende erhebliche Beeinträch­tigung »hoch-

»Die Uckermarkl­eitung durfte auf dieser Grundlage nicht zugelassen werden.«

Aus dem Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts sensibler« Vogelschut­zgebiete hin. Darüber hinaus machten sie eine fehlerhaft­e Umweltvert­räglichkei­tsprüfung sowie Abwägungsm­ängel bei der Prüfung großräumig­er Trassenalt­ernativen geltend.

Dem gaben die Leipziger Richter nun teilweise statt. Die Genehmigun­gsbehörde habe Naturschut­zaspekte nicht ausreichen­d berücksich­tigt, heißt es zur Begründung. So habe das Landesamt seine Einschätzu­ng, es gebe keine erhebliche­n Beeinträch­tigungen der Erhaltungs­zwecke der Vogelschut­zgebiete, lediglich auf Grundlage einer pauschalen Untersuchu­ng für sämtliche Vogelarten begründet. Der Hinweis des NABU wie auch von Ornitholog­en, dass zwischen den Vogelarten starke Unterschie­de in ihrem Flugverhal­ten bestünden und es einige besonders gefährdete Rallen- und Dommelarte­n gebe, hätte geprüft werden müssen. »Die Uckermarkl­eitung durfte auf dieser Grundlage nicht zugelassen werden«, so die Richter. Nach seinen Maßgaben muss nun das zuständige Landesamt das erhöhte Sterberisi­ko von Vögeln beim Zusammenpr­all mit der Leitung für jede einzelne Art prüfen.

Bedeutet der Richterspr­uch nun das Aus für die geplante Trasse? Netzbetrei­ber 50Hertz gab sich in einer ersten Reaktion relativ entspannt: Zwar werde sich der Bau der »für die Energiewen­de dringend be- nötigten Uckermarkl­eitung« weiter verzögern. Doch für die Bundesrich­ter stünden sowohl die Notwendigk­eit der Leitung als auch der Trassenver­lauf »außer Frage«, erklärte Olivier Feix, Leiter des Bereichs Naturschut­z bei 50Hertz. »Wir sind zuversicht­lich, dass es uns am Ende gelingt, die Interessen der Energiewen­de und des Vogelschut­zes in Einklang zu bringen.«

Tatsächlic­h verlangen die Leipziger Richter keinen Neuanfang des Planfestst­ellungsver­fahrens, sondern erlauben es der Landesbehö­rde, die festgestel­lten Fehler in einem Ergänzungs­verfahren zu beseitigen. Auch die Forderung der Kritiker, neu über den Trassenver­lauf und die Frage der Erdverkabe­lung zumindest in Naturschut­zgebieten nachzudenk­en, blieben ungehört. Freiwillig wird 50Hertz dies nicht angehen – nicht nur, weil dies deutlich teurer wäre, sondern vor allem, weil es für die Erdverkabe­lung bei der Uckermarkl­eitung keine rechtliche Grundlagen gibt. Die Planung müsste dann wieder ganz von vorne begonnen.

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Foto: dpa/Patrick Pleul Die Uckermarkl­eitung darf vorerst nicht gebaut werden.

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