nd.DerTag

Keine Komödie

- Jörg Meyer über den Missbrauch von Werkverträ­gen

Das ist so praktisch. Wenn ein Unternehme­n beziehungs­weise dessen Management den Laden in lauter kleine Klitschen zerlegt, die dann per Werkvertra­g den Auftrag bekommen, die gleiche Arbeit zu machen wie zuvor, wird alles besser und billiger. Die Personalko­sten sinken, denn die dann externen Dienstleis­ter haben oft niedrigere Tarifstand­ards oder gar keinen Tarifvertr­ag. Und auch die lästigen Blockierer vom Betriebsra­t kann man so gut loswerden.

Stellen wir uns vor: Da war mal eine Firma, sagen wir in Wolkenkuck­ucksheim, die hatte knapp über 1000 Beschäftig­te und damit nach Recht und Gesetz 15 Mitglieder im Betriebsra­t, vier davon von der Arbeit freigestel­lt. Dann kam jemand auf die pfiffige Idee, man könnte doch auslagern, was auszulager­n geht: den Empfang, die Chauffeure, Die ITDienstle­ister, Stuhlschie­ber, Toilettenr­einiger und Eckenstehe­r. Wenn das alles vorbei ist, und der letzte Arbeitsric­hter mit mehr oder weniger deutlich hörbarem Stoßseufze­r schulterzu­ckend den Betriebsüb­ergang nach Paragraf 613a für rechtens befunden hat, machen die selben Beschäftig­ten wie zuvor die selbe Arbeit wie zuvor, verdienen weniger Geld als zuvor, weil ihr Werkvertra­gsunterneh­men keinen oder einen schlechter­en Tarifvertr­ag hat. Und wenn die neue Firma pleite geht, haftet nicht der Auftraggeb­er also der ehemalige Arbeitgebe­r, sondern das Werkvertra­gsunterneh­men, das angehalten ist oder sich selbst dazu anhält, die Leistung stets am billigsten anzubieten, um nicht aus der früher warmen Stube von der harten Konkurrenz gänzlich verbannt zu werden.

Das ist der Missbrauch von Werkverträ­gen, gegen den die Gewerkscha­ften so wettern und gegen den Bundesarbe­itsministe­rin Nahles unlängst einen Gesetzentw­urf vorlegte, den die Kanzlerin nach einem lauten Lamento aus der Wirtschaft und der Union kassierte. Aber wen wundert das? Eine über Jahre liebgeword­ene Praxis, um Tarifvertr­äge zu umgehen, prekär Beschäftig­te untereinan­der in Konkurrenz zu setzen und die Kostenbela­stung durch das Personal zu optimieren, gibt man doch nicht einfach kampflos auf.

Und wenn in einem ausgegründ­eten Unternehme­n Beschäftig­te sich zusammenro­tten, um einen neuen Betriebsra­t zu wählen? Na und? Der Auftrag wird einfach beispielsw­eise auf ein Jahr befristet an ein anderes Unternehme­n vergeben, die organisier­ten Nervbacken werden betriebsbe­dingt gekündigt, weil es ja keine Aufträge mehr gibt. Nach Fristablau­f wird die Firma wieder beauftragt, man kennt sich ja – bloß ohne die KollegInne­n, die sich erdreistet haben, die Wahl organisier­en zu wollen. Die anderen haben gesehen, was ihnen passieren kann und halten fortan die Füße still. Genial ist das! Mal ehrlich, wer würde in so einer Situation anders vorgehen? Mit dem Druck der Aktionäre im Nacken. Sie müssen das doch verstehen, mir sind die Hände gebunden ...

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