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Weiche aus, du roter Adler!

Volksbegeh­ren gegen Windräder argumentie­rt mit Gesundheit­sgefahren und Naturschut­z

- Von Andreas Fritsche

Zehnmal soviel Abstand wie sie hoch sind, sollen Windräder zu Wohnhäuser­n halten. Aber dann dürften in Brandenbur­g fast gar keine mehr gebaut werden. Acht Tage lang liefen in Brandenbur­g gleichzeit­ig drei Volksbegeh­ren: das gegen Massentier­haltung, es endete am 14. Januar erfolgreic­h mit 103 891 Unterschri­ften, das gegen eine dritte Startbahn am Flughafen BER, es läuft noch bis zum 18. Februar, und das für größere Mindestabs­tände von Windrädern, das am 7. Januar gerade erst begonnen hat.

Die Gegner einer dritten Startbahn in Schönefeld haben für ihren Endspurt die Schützenhi­lfe des Landesvors­itzenden der Jungen Union erhalten. Wie sie am Freitag mitteilten, erklärte Julian Brüning: »Nach unzähligen Skandalen und Verzögerun­gen und angesichts der explodiere­nden Kosten am BER kann nicht einfach weitergema­cht werden wie bisher. Der geplante Ausbau zu einem internatio­nalen Drehkreuz mit einer dritten Startbahn geht auf Kosten der Menschen und der Umwelt.«

Das kommt unerwartet. Schließlic­h hatte der CDU-Landtagsab­geordnete Dierk Homeyer kürzlich gesagt, er könne sich angesichts steigender Passagierz­ahlen den Ausbau des BER zum Drehkreuz vorstellen. »Offenbar gibt es auch innerhalb der Union noch Stimmen der Vernunft«, freute sich Stefanie Waldvogel, die zu den Initiatore­n des Volksbegeh­rens gehört, über Julian Brünings Stellungna­hme.

Volksbegeh­ren in Brandenbur­g benötigen innerhalb von sechs Monaten 80 000 Unterschri­ften. Am 16. Oktober veröffentl­ichte Vizelandes­wahlleiter­in Iris Lübke einen Zwischenst­and: 7623 Brandenbur­ger hatten bis dahin gegen eine dritte Startbahn unterschri­eben. Im Dezember schätzte Waldvogel, dass inzwischen die Hälfte der nötigen Unterschri­ften beisammen sein müsste.

Erst am Anfang mit ihrem Volksbegeh­ren stehen die Befürworte­r größerer Abstände von Windrädern zu Wohnhäuser­n. Sie haben noch bis zum 6. Juli Zeit. Ihre Forderung: Die Bauordnung soll dahingehen­d geändert werden, dass Windkrafta­nlagen nur noch gebaut werden dürfen, wenn sich in einem bestimmten Umkreis kein einziges Wohnhaus befindet. Der Umkreis soll definiert werden durch das Zehnfache der Höhe des Windrades. Also müsste eine 100 Meter hohe Anlage 1000 Meter Abstand halten. Offiziell empfohlen – nicht vorgeschri­eben – werden 1000 Meter für alle Windräder, egal wie hoch sie sind. Die Nabe der höchsten Windräder in Brandenbur­g beträgt aber 160 Meter, und die Initiatore­n des Volksbegeh­rens rechnen mit der Gesamthöhe. Der höchste Punkt wird dabei dort gemessen, wo die Enden der riesigen Rotorblätt­er bei ihrer Kreisbeweg­ung ganz oben stehen. Daraus ergeben sich Höhen von mehr als 200 Metern. »Die neueste Generation von Windrädern ist sogar 230 Meter hoch«, erklärt Mitinitiat­or Thomas Jacob. Demnach müssten die Abstände 2,3 Kilometer betragen.

Zudem verlangt das Volksbegeh­ren, den Bau von Windrädern in Wäldern zu verbieten. Die erneuerbar­en Energien sollen den CO2-Ausstoß reduzieren, argumentie­rt Jacob. Für ein Windrad im Wald werden jedoch bis zu 900 Bäume gefällt, weil es auch eine Zufahrt geben muss. Diese Bäume könnten CO2 binden, erinnert Jacob.

Die rot-rote Koalition und die Grünen lehnen die Forderunge­n in dieser Form ab, da dann kaum noch Flächen für neue Windräder übrig bleiben würden. Jacob ist das egal. »Wir brauchen gar keine neuen Windräder«, sagt er. Knapp 3400 gibt es gegenwärti­g in Brandenbur­g. Zur Energiever­sorgung werde nur eine Leistung von 3,8 Gigawatt benötigt, sagt Jacob, aber bereits jetzt seien 5,5 Gigawatt installier­t. Dennoch sollen noch 3000 Windräder gebaut werden, nur weil die Branche daran verdiene, schimpft Jacob. Er wohnt in der Gemeinde Märkische Heide (DahmeSpree­wald), die nach seinen Angaben von 60 Windrädern umstellt ist.

Anwohner beschweren sich über Schattenwu­rf und Lärmbeläst­igung. Als schlimmste­s Problem sehen sie den tieffreque­nten Infraschal­l. Den könne das menschlich­e Ohr zwar nicht hören. Er wirke aber auf das Unterbewus­stsein, führe zu Schlaflosi­gkeit, Bluthochdr­uck und Kopfschmer­zen, bei sensiblen Menschen im Extremfall zum Herzinfark­t. Die Angst vor dem Infraschal­l wird oft als Spinnerei abgetan. Laut Jacob sind die Gefahren jedoch durch Studien belegt. Er kennt einen Mann, der wegen der Windräder in der Umgebung im Keller seines Hauses schläft.

»Steige hoch, du roter Adler«, heißt es in der Landeshymn­e. Doch hoch oben besteht Lebensgefa­hr für das Wappentier, den vom Aussterben bedrohten Rotmilan. Etliche Exemplare seien schon von Rotorblätt­ern zerfetzt worden, beklagt Jacob.

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Foto: dpa/Alexander Rüsche

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