Weiche aus, du roter Adler!
Volksbegehren gegen Windräder argumentiert mit Gesundheitsgefahren und Naturschutz
Zehnmal soviel Abstand wie sie hoch sind, sollen Windräder zu Wohnhäusern halten. Aber dann dürften in Brandenburg fast gar keine mehr gebaut werden. Acht Tage lang liefen in Brandenburg gleichzeitig drei Volksbegehren: das gegen Massentierhaltung, es endete am 14. Januar erfolgreich mit 103 891 Unterschriften, das gegen eine dritte Startbahn am Flughafen BER, es läuft noch bis zum 18. Februar, und das für größere Mindestabstände von Windrädern, das am 7. Januar gerade erst begonnen hat.
Die Gegner einer dritten Startbahn in Schönefeld haben für ihren Endspurt die Schützenhilfe des Landesvorsitzenden der Jungen Union erhalten. Wie sie am Freitag mitteilten, erklärte Julian Brüning: »Nach unzähligen Skandalen und Verzögerungen und angesichts der explodierenden Kosten am BER kann nicht einfach weitergemacht werden wie bisher. Der geplante Ausbau zu einem internationalen Drehkreuz mit einer dritten Startbahn geht auf Kosten der Menschen und der Umwelt.«
Das kommt unerwartet. Schließlich hatte der CDU-Landtagsabgeordnete Dierk Homeyer kürzlich gesagt, er könne sich angesichts steigender Passagierzahlen den Ausbau des BER zum Drehkreuz vorstellen. »Offenbar gibt es auch innerhalb der Union noch Stimmen der Vernunft«, freute sich Stefanie Waldvogel, die zu den Initiatoren des Volksbegehrens gehört, über Julian Brünings Stellungnahme.
Volksbegehren in Brandenburg benötigen innerhalb von sechs Monaten 80 000 Unterschriften. Am 16. Oktober veröffentlichte Vizelandeswahlleiterin Iris Lübke einen Zwischenstand: 7623 Brandenburger hatten bis dahin gegen eine dritte Startbahn unterschrieben. Im Dezember schätzte Waldvogel, dass inzwischen die Hälfte der nötigen Unterschriften beisammen sein müsste.
Erst am Anfang mit ihrem Volksbegehren stehen die Befürworter größerer Abstände von Windrädern zu Wohnhäusern. Sie haben noch bis zum 6. Juli Zeit. Ihre Forderung: Die Bauordnung soll dahingehend geändert werden, dass Windkraftanlagen nur noch gebaut werden dürfen, wenn sich in einem bestimmten Umkreis kein einziges Wohnhaus befindet. Der Umkreis soll definiert werden durch das Zehnfache der Höhe des Windrades. Also müsste eine 100 Meter hohe Anlage 1000 Meter Abstand halten. Offiziell empfohlen – nicht vorgeschrieben – werden 1000 Meter für alle Windräder, egal wie hoch sie sind. Die Nabe der höchsten Windräder in Brandenburg beträgt aber 160 Meter, und die Initiatoren des Volksbegehrens rechnen mit der Gesamthöhe. Der höchste Punkt wird dabei dort gemessen, wo die Enden der riesigen Rotorblätter bei ihrer Kreisbewegung ganz oben stehen. Daraus ergeben sich Höhen von mehr als 200 Metern. »Die neueste Generation von Windrädern ist sogar 230 Meter hoch«, erklärt Mitinitiator Thomas Jacob. Demnach müssten die Abstände 2,3 Kilometer betragen.
Zudem verlangt das Volksbegehren, den Bau von Windrädern in Wäldern zu verbieten. Die erneuerbaren Energien sollen den CO2-Ausstoß reduzieren, argumentiert Jacob. Für ein Windrad im Wald werden jedoch bis zu 900 Bäume gefällt, weil es auch eine Zufahrt geben muss. Diese Bäume könnten CO2 binden, erinnert Jacob.
Die rot-rote Koalition und die Grünen lehnen die Forderungen in dieser Form ab, da dann kaum noch Flächen für neue Windräder übrig bleiben würden. Jacob ist das egal. »Wir brauchen gar keine neuen Windräder«, sagt er. Knapp 3400 gibt es gegenwärtig in Brandenburg. Zur Energieversorgung werde nur eine Leistung von 3,8 Gigawatt benötigt, sagt Jacob, aber bereits jetzt seien 5,5 Gigawatt installiert. Dennoch sollen noch 3000 Windräder gebaut werden, nur weil die Branche daran verdiene, schimpft Jacob. Er wohnt in der Gemeinde Märkische Heide (DahmeSpreewald), die nach seinen Angaben von 60 Windrädern umstellt ist.
Anwohner beschweren sich über Schattenwurf und Lärmbelästigung. Als schlimmstes Problem sehen sie den tieffrequenten Infraschall. Den könne das menschliche Ohr zwar nicht hören. Er wirke aber auf das Unterbewusstsein, führe zu Schlaflosigkeit, Bluthochdruck und Kopfschmerzen, bei sensiblen Menschen im Extremfall zum Herzinfarkt. Die Angst vor dem Infraschall wird oft als Spinnerei abgetan. Laut Jacob sind die Gefahren jedoch durch Studien belegt. Er kennt einen Mann, der wegen der Windräder in der Umgebung im Keller seines Hauses schläft.
»Steige hoch, du roter Adler«, heißt es in der Landeshymne. Doch hoch oben besteht Lebensgefahr für das Wappentier, den vom Aussterben bedrohten Rotmilan. Etliche Exemplare seien schon von Rotorblättern zerfetzt worden, beklagt Jacob.