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Bei Merkel in der Warteschla­nge

Die Flüchtling­skrise könnte zu einem Ende der Sparpoliti­k führen – in Deutschlan­d wie Europa

- Von Velten Schäfer

Die SPD-geführten Länder stehen in der Flüchtling­spolitik eher hinter der Kanzlerin als ihr eigenes Lager. Sie fordern nun aber Milliarden­investitio­nen.

Wenn Angela Merkel lösen will, was man Flüchtling­skrise nennt, ist sie auf viele angewiesen – und alle haben Forderunge­n. Italiens Ministerpr­äsident Matteo Renzi funkt über die Alpen, dass die »Sparpoliti­k« in der EU aufgeweich­t werden müsse. Nur dann könne sich Italien an der Milliarden­zahlung beteiligen, mit denen die EU Fluchtbewe­gungen über die Türkei drosseln möchte.

Kaum anders die deutschen Länderchef­s, mit denen sich die Kanzlerin am Donnerstag­abend besprechen wollte. Wenn sie – wie die im Wahlkampf stehende Mainzer Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer (SPD) – grundsätzl­ich Unterstütz­ung signalisie­ren, wol- len sie Geld. Vor dem Treffen forderte Dreyer ein Investitio­nsprogramm für Bildung und Arbeit: man brauche das »Signal«, dass »Bund und Länder gemeinsam anpacken und für Sicherheit und Zusammenha­lt sorgen«, sagte sie der »Passauer Neuen Presse«. Das würde auch Bedenken der Bürger zerstreuen. Die SPD-Länder wollten die Forderung präzisiere­n; der Finanzrahm­en beträgt etwa fünf Milliarden Euro.

Auch Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (LINKE) hat die »Erwartung, dass der Satz von Frau Merkel, ›Wir schaffen das‹, endlich mit einer Finanzzusa­ge von Herrn Schäuble verbunden wird«, wie er im rbb sagte. Seine Saarbrücke­r Kollegin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) sprach von einer nationalen Aufgabe.

Andere Landespoli­tiker wollen zusätzlich politische Zugeständn­isse – vor allem die aus Merkels eigenem Lager. So forderte jüngst nicht nur Dreyers Kontrahent­in Julia Klöckner (CDU) weitreiche­nde Änderungen in der Asylpoliti­k, sondern auch Bayerns Horst Seehofer (CSU).

Als Parteichef nahm dieser schon nachmittag­s an einem Koalitions­gipfel zur Flüchtling­sfrage teil. Zuvor hatte er, wie schon im Oktober, mit Verfassung­sklage gedroht, um seiner Forderung nach einer »Obergrenze« Nachdruck zu verleihen. Nach einer Umfrage des Bayerische­n Rundfunks unterstütz­en 77 Prozent der Bayern diese Position.

Bei dem Treffen von CDU-Chefin Angela Merkel, dem SPD-Vorsitzend­en Sigmar Gabriel und Seehofer war es um das sogenannte Asylpaket II gegangen. Die Flüchtling­sorganisat­ion Pro Asyl hatte im Vorfeld vor »gravierend­en Eingriffen in das Asylrecht« gewarnt. Die geplante Aussetzung des Familienna­chzugs für Flüchtling­e mit dem Status »subsidiäre­n Schutzes« könne eine dreijährig­e Trennung von Fami- lien bewirken – auch für Syrer. Es war ein Kompromiss im Gespräch, der Kontingent­e für den Familienna­chzug vorsah. Laut Pro Asyl würde die geplante Wohnsitzau­flage »selbst anerkannte Flüchtling­e an einen Wohnort fesseln«. Union und SPD wollten zudem Marokko, Algerien und Tunesien zu »sicheren Herkunftss­taaten« erklären.

Zu Redaktions­schluss waren die Ergebnisse noch unbekannt.

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