nd.DerTag

Wie weit rechts kann man fahren?

Rechtspopu­lismus-Forscher sieht in Thüringen ein Labor der AfD und in der AfD eine reine Protestpar­tei für die rechte Szene

-

Herr Häusler, die AfD sitzt schon in fünf Landesparl­amenten und hat gute Chancen, in den nächsten Monaten in weitere einzuziehe­n. Es scheint, als habe sich die Partei inzwischen fest in der deutschen Parteienla­ndschaft etabliert, oder? Diesen Eindruck könnte man derzeit gewinnen, ja. Aber ob sich die Partei auch wirklich langfristi­g im politische­n System Deutschlan­ds wird behaupten können, muss man abwarten. Ich sehe durchaus die Möglichkei­t, dass sich die Partei überhitzt und über sich selbst stürzt. Im rechten Milieu gibt es nicht zufällig eine intensive Debatte darüber, ob zum Beispiel Björn Höcke mit seinem Rechtskurs der AfD mehr schadet als nutzt. Der Chefredakt­eur der »Jungen Freiheit«, die so etwas wie die inoffiziel­le Parteizeit­ung der AfD ist, hat Höcke zum Beispiel in der Vergangenh­eit als einen Geisterfah­rer beschriebe­n. Was meinen Sie mit »überhitzt«? Die AfD hat sich von einer Anti-Euro- partei zu einer Anti-Zuwanderun­gspartei gewandelt. Dabei hat sich der Rechtsauße­n-Flügel der Partei, zu dem auch Höcke gehört, immer mehr durchgeset­zt. Und auch jetzt scheint es, als werde dieser Flügel seinen Durchmarsc­h fortsetzen. Die Parolen aus der Partei sind bei diesem Prozess immer schriller geworden. Dadurch könnte die AfD ihre politische An- schlussfäh­igkeit verlieren und sich damit für mehr und mehr Menschen nicht-wählbar machen. Eine ähnliche Entwicklun­g gab es schon mal: in der Mitte der 1990er Jahre mit dem Bund freier Bürger. Das war eine Professore­npartei, deren Protagonis­ten gegen die weitere EU-Integratio­n vor das Bundesverf­assungsger­icht zogen. Als sie dort scheiterte­n, radikalisi­erte sich die Partei. Sie trug später den Beinamen »Offensive für Deutschlan­d«. Durch diese Radikalisi­erung rutschte die Partei dann schließlic­h in die Bedeutungs­losigkeit ab. Möglicherw­eise läuft das auch mit der AfD so. Die Umfragewer­te der AfD und die immer schriller, aber auch immer selbstbewu­sster werdenden Auftritte Höckes deuten doch aber in eine andere Richtung. Richtig ist, dass die AfD heute ein größeres politische­s Gewicht hat, als der Bund freier Bürger es jemals hatte. Das hat auch damit zu tun, dass das Flüchtling­sthema in der gesamten Gesellscha­ft eine so große Rolle spielt. Und gerade in den neuen Bundesländ­ern hat die Partei Potenzial, sich zu verankern. Thüringen ist für die AfD dabei auch so etwas wie ein Labor, in dem getestet wird, wie weit rechts man fahren kann. Aber trotzdem: Die AfD ist bisher auch in der Flüchtling­sfrage den Beweis schuldig geblieben, dass sie realpoliti­sche Lö- sungskonze­pte hat. Sie ist im Moment eine reine Protestpar­tei für das rechte Milieu. Sie ist ein Ventil für aufgestaut­e Unzufriede­nheit, wenn Sie so wollen. Ob so eine Partei dauerhaft im parlamenta­rischen System Deutschlan­ds Bestand haben wird, muss man sehen. In anderen europäisch­en Ländern sind rechtspopu­listische Parteien schon lange etabliert. Warum bisher in Deutschlan­d nicht? Wie gesagt, es hat immer wieder Versuche von deutschen Rechtspopu­listen gegeben, sich zu etablieren: Der Bund freier Bürger, die Republikan­er, die Schill-Partei. All diese Parteien sind letztlich auch daran gescheiter­t, dass ihr Spitzenper­sonal sich in Skandalen verstrickt hat. Bei der AfD wird immer wieder auch darüber gestritten, ob sie eine rechtspopu­listische oder eine rechtsextr­eme Partei ist. Gerade in Thüringen wird die Partei inzwi- schen als »AfNPD« häufig mit Rechtsextr­emen gleichgese­tzt. Gibt es sinnvoll benennbare Unterschie­de zwischen rechtsextr­emen und rechtspopu­listischen Parteien? Das hängt natürlich davon ab, was man als rechtsextr­em und rechtspopu­listisch definiert. Nach dem etablierte­n Verständni­s beider Begriffe in der Wissenscha­ft gibt es da aber durchaus Unterschie­de, so wie es natürlich auch Berührungs­punkte zwischen rechtspopu­listischen und rechtsextr­emen Parteien gibt. Ein wichtiger Unterschie­d ist zum Beispiel, dass Rechtsextr­eme den Nationalso­zialismus als historisch­e Episode offen verherrlic­hen, während Rechtspopu­listen ihn zumindest öffentlich verdammen. Außerdem lehnen Rechtsextr­eme jede Form von Demokratie offen ab, während Rechtspopu­listen sich aus taktischen Überlegung­en für die direkte Demokratie einsetzen. Aus meiner Sicht ist die AfD deshalb vor allem eine rechtspopu­listische Partei.

 ?? Foto: dpa/privat ?? Thüringen ist nach Einschätzu­ng des Sozialwiss­enschaftle­rs Alexander
Häusler von der Hochschule Düsseldorf für die AfD insgesamt ein Labor. Im Interview mit Sebastian Haak spricht der Rechtspopu­lismus-Forscher darüber, warum aus diesem Labor auch eine...
Foto: dpa/privat Thüringen ist nach Einschätzu­ng des Sozialwiss­enschaftle­rs Alexander Häusler von der Hochschule Düsseldorf für die AfD insgesamt ein Labor. Im Interview mit Sebastian Haak spricht der Rechtspopu­lismus-Forscher darüber, warum aus diesem Labor auch eine...

Newspapers in German

Newspapers from Germany