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Das IWF-Reförmchen

IWF-Quotenrefo­rm in Kraft getreten – vier Schwellenl­änder nun unter den Top Ten

- Kurt Stenger zur Machtumver­teilung im Internatio­nalen Währungsfo­nds

Der große Wurf ist die Quotenrefo­rm im Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) nicht – gerade mal sechs Prozent der Stimmrecht­e wandern nun von den Industries­taaten hin zu den Entwicklun­gsländern. Immerhin zeigt die Neuregelun­g, dass sich die Welt seit Gründung der BrettonWoo­ds-Institutio­nen vor 70 Jahren weitergedr­eht hat. Daher ist es schon ein gewisser Fortschrit­t, dass US-Präsident Barack Obama die Blockade der Reform durch die Fundamenta­lrepublika­ner beenden konnte.

Gerade die USA brauchen eigentlich die Reform: Die jahrelange Verzögerun­g schwächte den traditione­ll von den Industries­taaten beherrscht­en IWF und stärkte die neuen Konkurrenz­institutio­nen unter Führung der BRICS-Staaten. Etwas skurril ist, dass die Schwellenl­änder zu einer Zeit mehr Macht im IWF bekommen, in der ihr weltwirtsc­haftlicher Stern wieder im Sinken begriffen ist.

Dennoch kann die Quotenrefo­rm nur ein erster Schritt sein, wenn man es mit der Demokratis­ierung des IWF ernst meint. Auch um eine Politikwen­de im Währungsfo­nds müsste es gehen, zumal die umstritten­en Austerität­sauflagen für die Gewährung von Notkredite­n längst auch intern auf Kritik stoßen. Solche Sprünge sind aber nicht in Sicht: Beim IWF ist man ja schon heilfroh, dass nun endlich das Reförmchen durch ist.

Seit langem fordern Entwicklun­gsländer einen Machtzuwac­hs in internatio­nalen Finanzinst­itutionen und demokratis­chere Entscheidu­ngsprozess­e. Nun wird der IWF reformiert.

Nach jahrelange­n Verzögerun­gen ist die Stimmrecht­sreform im Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) in Kraft getreten. Dadurch werde die Stimme und Vertretung von Schwellen- und Entwicklun­gsländern gestärkt, heißt es in einer Erklärung des IWF von Mittwoch (Ortszeit). Die geschäftsf­ührende Direktorin des Fonds, Christine Lagarde, erklärte, dass die Finanzinst­itution nunmehr besser in der Lage sei, den Anforderun­gen seiner Mitglieder in einer sich rapide verändernd­en globalen Umwelt gerecht zu werden.

Im IWF ist alles eine Frage der Relation. Die festgelegt­e Quote jedes seiner 188 Mitgliedsl­änder entscheide­t über deren Einzahlung­en, über die Höhe möglicher Notkredite an sie und über die Stimmrecht­e. Nachdem die Quoten über 70 Jahre lang unveränder­t geblieben waren, einigten sich die Staaten nach langem Tauziehen bei der Herbstkonf­erenz 2010 auf eine vom damaligen IWF-Direktor Dominique Strauss-Kahn initiierte Reform, die eigentlich Ende 2012 in Kraft treten sollte. Bis dato konnten die großen Industries­taaten mit ihrem Veto alles blockieren. Laut dem Beschluss sinken deren Quoten und auch die einiger Ölstaaten, während die der meisten Länder des globalen Südens aufgestock­t werden. Insgesamt werden sechs Prozent der Stimmrecht­santeile umverteilt. Alle vier BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) sollen unter den Top Ten sein, besonders stark steigt die Quote Chinas: von 3,8 auf 6,1 Prozent, womit die Volksrepub­lik auf Platz drei hinter den USA und Japan vorrückt.

Dennoch blieb in der Folge alles beim Alten, weil der konservati­v dominierte US-Kongress sich der Ratifizier­ung verweigert­e. Erst im Rahmen eines größeren Haushaltsk­ompromisse­s stimmte das Parlament Mitte Dezember 2015 zu.

Damit kann die Reform nun endlich in Kraft treten. Sie geht indes noch über die Machtumver­teilung hinaus: So werden künftig alle 24 Mitglieder des Exekutivdi­rektoriums von den Staaten gewählt – bisher entsandte jedes der fünf größten Länder einen Direktor in das Entscheidu­ngsgremium des Fonds.

Auch das finanziell­e Gewicht des IWF soll sich erhöhen. So wird die Summe der Sonderzieh­ungsrechte von derzeit 238,5 Milliarden auf 477 Milliarden – dies entspricht aktuell gut 600 Milliarden Euro – verdoppelt. Die Aufstockun­g könnte gerade rechtzeiti­g kommen: Zahlreiche Ökonomen warnen angesichts von Kapitalabf­luss, Währungsab­wertung und Rohstoffpr­eisverfall vor einer drohenden neuen Schuldenkr­ise bei Schwellen- und Entwicklun­gsländern. Die höheren Quoten könnten also schon bald dringend benötigt werden.

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