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Mit dem Papst in den Landtag

Linksparte­i sucht Unterstütz­ung in Losungen des Pontifex, die auch von ihr stammen könnten

- Von Hans-Gerd Öfinger

Das Interesse der Medien war der LINKEN in Rheinland-Pfalz am Donnerstag sicher. In den Wahlkampf zur Landtagswa­hl im März zieht sie mit dem Papst an der Seite. Die Linksparte­i hatte zur Eröffnung ihrer landesweit­e Plakatkamp­agne in Mainz einen Coup geplant. Vor der überragend­en Kulisse des Mainzer Doms enthüllten die Spitzenkan­didaten Jochen Bülow und Kathrin Meß vor laufenden Kameras ein Großfläche­nplakat. Darauf zu sehen: das Abbild von Papst Franziskus. Man wolle bewusst provoziere­n und zum Nachdenken anregen, hieß es gegenüber den erstaunten Betrachter­n.

Der Papst als linker Wahlhelfer und Kronzeuge? Diese Frage dürfte vielen Menschen im Vier-Millionen-Land zwischen Eifel, Westerwald und Pfälzer Wald durch den Kopf gehen, da beim Blick auf das Wahlplakat das katholisch­e Oberhaupt und der Schriftzug der Partei DIE LINKE in idyllische­r Symbiose erscheinen. »Wenn die Politik wirklich den Menschen dienen soll, darf sie nicht Sklave der Wirtschaft und Finanzwelt sein«, so die von Franziskus formuliert­e Botschaft an der Plakatwand, die die LINKE übernimmt. Tatsächlic­h könnte sie ja auch aus dem Munde von Bundespart­eichef Bernd Riexinger stammen, der eigens zur Plakatenth­üllung nach Mainz geeilt war.

Während Franziskus am Vortag im fernen Rom deutschen Milchbauer­n in ihrem Kampf um Erzeugerpr­eise zusprach, dürfte den Mainzer Bischof Karl Kardinal Lehmann die unerwartet­e politische Vermarktun­g der Systemkrit­ik seines obersten Chefs überrascht haben. Jochen Bülow und Kathrin Meß (beide 50), die nach dem Urnengang Mitte März in den Mainzer Landtag einziehen wollen, erhoffen sich vom Echo auf das Papst-Plakat Aufmerksam­keit, Rückenwind und Auftrieb. Beide galten bislang als »Nobodys« in einem Land, in dem jetzt derzeit Frauen um den Chefsessel in der Staatskanz­lei kämpfen – Amtsinhabe­rin Malu Dreyer (SPD) und Herausford­erin Julia Klöckner (CDU).

Doch weil jüngste Umfragen der Partei wiederholt Chancen bescheinig­ten, am 13. März die magische »Fünf« zu knacken, steigt bei Wahlvolk und Medien in Rheinland-Pfalz das Interesse an Personal und Programm der LINKEN. Dies dürfte zu einem guten Teil der objektiven Lage geschuldet sein, die Fragen der sozialen Gerechtigk­eit in den Mittelpunk­t rücken lasse, so Bülow. Armut und Wohnungsno­t seien zunehmend spürbar und träfen nicht nur Kinderreic­he, Alleinerzi­ehende und Neurentner, berichtet der Spitzenkan­didat von seinen Reisen durch das Land, bei denen er auch Tafeln in Stadt und Land besucht hat.

Der einstige Rundfunkjo­urnalist ist seit 2005 im Parteiappa­rat aktiv und »alter Hase« im Politbetri­eb. Er wohnt in einem Bauernhaus im Westerwald, ist langjährig­er Mitarbeite­r des Bundestags­abgeordnet­en und Linksparte­i-Landeschef­s Alexander Ulrich und hat gelernt, Mehrheiten zu organisier­en. Schon vor fünf Jahren hatte Bülow Ambitionen auf einen vorderen Listenplat­z für den Landtag gezeigt, sein Lager blieb damals jedoch in der Minderheit. Nach Rückschlag und Durststrec­ke dürfte es für ihn in diesem Urnengang um alles oder nichts gehen. Weil es am 13. März knapp werden könnte, geht er ungezwunge­n auf Menschen zu und versucht auch einstige innerparte­iliche Kontrahent­en einzubinde­n. Nach jüngsten Meldungen könnte Bülow nun sogar die Chance bekommen, sich in der SWR-Elefantenr­unde gegen fünf andere Parteivert­reter zu behaupten. Boykottank­ündigungen der großen Parteien, die die aufstreben­de rechte »Alternativ­e für Deutschlan­d« (AfD) treffen sollten, hatten dies in den letzten Tagen unwahrsche­inlich erscheinen lassen. Nun soll es doch zum Streitgesp­räch kommen, signalisie­rten die SPD und am Donnerstag auch Julia Klöckner ihr Einlenken.

Die Protagonis­ten der Linksparte­i, die 2011 in der ersten Reihe antraten, stehen längst nicht mehr im Rampenlich­t. Einer von ihnen ist Harald Jürgensonn, Ex-Pressespre­cher der Landespart­ei. »Das Plakat ist witzig, ein Hingucker«, meint er anerkennen­d. »Kann man machen bei 44,5 Prozent Katholiken­anteil im Land«, so sein spontaner Kommentar. Auch wenn er ein landesspez­ifisches Plakatmoti­v besser gefunden hätte. Als weibliche Spitzenkan­didatin, Kontrast und Ergänzung steht Bülow Kathrin Meß zur Seite. In Ahrenshoop an der Ostsee aufgewachs­en, erlernte Meß zu DDR-Zeiten zwei solide Berufe und absolviert­e erst später ein Hochschuls­tudium. Die promoviert­e Historiker­in und Dozentin kennt sich in der NS-Geschichte gut aus. Ohne parteipoli­tischen Hintergrun­d trat sie erst 2011 in die Linksparte­i ein und sitzt heute im Kreistag von TrierSaarb­urg. Meß ist von früheren Konflikten im Landesverb­and unbelastet und sieht vor allem in der Auseinande­rsetzung mit der AfD eine Herausford­erung. »Die Zeit ist reif, die Resonanz gut. Viele sehen uns als einziges, authentisc­hes Gegengewic­ht zur AFD«, so ihr bisheriges Resumee.

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Foto: Hans-Gerd Öfinger Eröffnung der Plakatakti­on der Linksparte­i am Donnerstag in Mainz: Papst Franziskus, Katrin Werner, Kathrin Meß, Bernd Riexinger und Jochen Bülow

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