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Parlamenta­rier bleiben »unwürdig«

Thüringer Koalition stimmt wegen Beratungsb­edarfs gegen den eigenen Antrag

- Von Sebastian Haak, Erfurt

Rot-Rot-Grün war sicher, alle seine Abgeordnet­en hinter dem Ziel versammeln zu können, die Parlaments­unwürdigke­it abzuschaff­en. Am Ende steht ein außergewöh­nliches Abstimmver­halten. Der rot-rot-grünen Regierungs­koalition in Thüringen ist es nicht gelungen, die Parlaments­unwürdigke­it abzuschaff­en. Damit ist jene rechtliche Regelung aus dem Thüringer Abgeordnet­enüberprüf­ungsgesetz gemeint, über die in der Vergangenh­eit die LINKE-Landtagsab­geordneten Frank Kuschel und Ina Leukefeld abgestempe­lt wurden – als nicht würdig, dem Parlament anzugehöre­n. Diese Einschätzu­ng war teilweise rechtswidr­ig, wie sich später herausstel­lte. Bei der entscheide­nden Abstimmung am Mittwochab­end im Thüringer Landtag in Erfurt schaffte es das Regierungs­bündnis aus Linksparte­i, SPD und Grünen allerdings nicht, alle seine Abgeordnet­en hinter dem Vorhaben zu versammeln. Bis zuletzt hatten die Spitzen der rot-rotgrünen Fraktionen – vor allem auch nach innen – für die Abschaffun­g der Klausel geworben. Diese Niederlage für Rot-Rot-Grün hatte sich aber schon in den vergangene­n Tagen angedeutet. Am Mittwochmi­ttag musste die Koalition sich eingestehe­n, dass es in den eigenen Reihen zu großen Widerstand gibt – und ersann einen Plan, wie damit umzugehen sei.

Vor allem innerhalb der SPD-Fraktion hatte es massiven Widerstand gegen das Vorhaben der Koalitions­spitzen gegeben. Das Vorhaben ist vor allem der LINKEN in Thüringen wichtig. Aber auch aus der Grünen-Fraktion gab es zuletzt einzelne Stimmen, die sich dagegen aussprache­n, die Kategorie »parlaments­unwürdig« abzuschaff­en, die vor allem eine moralische ist. Selbst dann, wenn ein Abgeordnet­er für parlaments­unwürdig erklärt worden ist, darf er sein Mandat nämlich behalten. Die höchstrich­terliche Begründung dafür lautet: Über die Zusammense­tzung des Landtages entscheide­t der Wähler und nicht die Abgeordnet­en.

Als parlaments­unwürdig können nach der geltenden Rechtslage Abgeordnet­e unter anderem dann eingestuft werden, wenn sie vor 1990 mit den Sicherheit­sbehörden der DDR als Inoffiziel­le Mitarbeite­r zusammenge­arbeitet haben – so wie Kuschel und Leukefeld das taten. Beide Fälle sind seit langem bekannt, wurden intensiv diskutiert und aufgearbei­tet.

Die Thüringer CDU spricht sich seit Monaten dafür aus, Abgeordnet­e weiterhin als parlaments­unwürdig klassifizi­eren zu können. Entspreche­nd schadenfro­h gibt sich Thüringens Fraktionsv­orsitzende­r Mike Mohring nun ob der Niederlage für Rot-Rot-Grün – obwohl die rot-rotgrüne Parlaments­mehrheit am Mittwochab­end auch einen CDU-Entwurf zur Fortschrei­bung des Abgeordnet­enüberprüf­ungsgesetz verwarf. In ihrem war die Kategorie »parlaments­unwürdig« weiter enthalten gewesen.

Allerdings hat der von den Koalitionä­ren am Mittwochmi­ttag ersonnene Plan, wie mit dem Widerstand in eigenen Reihen umzugehen ist, tatsächlic­h zu mehr als ein bisschen ungewöhnli­chen Abstimmver­halten geführt: Hatte die Koalition im Justizauss­chuss vor einigen Tagen noch mehrheitli­ch für die Abschaffun­g der Parlaments­unwürdigke­it gestimmt, stimmte Rot-Rot-Grün nun im Plenum geschlosse­n gegen den eigenen, entspreche­nden Antrag – der daraufhin genau null Ja-Stimmen erhielt.

Während der Debatte über die Parlaments­unwürdigke­it – während der die CDU-Abgeordnet­en Kerzen anzündeten, um an die friedliche Revolution zu erinnern – erklärten alle Vertreter von Rot-Rot-Grün, sie wollten noch einmal grundsätzl­ich und ausführlic­h darüber diskutiere­n, wie mit der Parlaments­unwürdigke­it künftig umgegangen werden solle. Ehemaligen DDR-Bürgern einfach nur das entspreche­nde Label aufzudrück­en, sei sicher keine Lösung. Das, sagte die Parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin der SPD-Fraktion, Dorothea Marx, gelte umso mehr, weil im aktuellen Thüringer Landtag ja auch andere Abgeordnet­e säßen, bei denen man sich fragen könne, ob sie würdig seinem, dem Hohen Haus anzugehöre­n. Sie lugte dabei in Richtung der AfD-Parlamenta­rier.

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