Der Generalsekretär gab sich »überrascht«
12. Kongress der KP Vietnams entschied über neue Partei- und Staatsführung
Der alte KP-Generalsekretär ist auch der neue und die sozialistisch orientierte Marktwirtschaft Vietnams soll reformiert werden. Zumindest der alte und neue Generalsekretär Nguyen Phu Trong gab sich vor Journalisten nach Abschluss des 12. Parteitags der Kommunistischen Partei Vietnams am Donnerstag »überrascht« angesichts der Tatsache, dass er »trotz hohen Alters« so einmütig im Amt bestätigt wurde. Die Wiederwahl des 71-jährigen schien in der Tat noch vor Wochen wenig wahrscheinlich zu sein.
Anders als noch zu Zeiten des Generalsekretärs Le Duan, der von 1969 bis zu seinem Tod 1986 amtierte, wird der Posten nicht mehr auf Lebenszeit vergeben. Einer Regel zufolge sollten Vietnams Spitzenfunktionäre bei Amtsantritt nicht älter als 65 Jahre sein. Zudem hatte sich Trong mit seinen Anträgen im Zentralkomitee durchaus nicht immer durchgesetzt.
Wiederholt wollten »Vietnamexperten« von einem internen Machtkampf zwischen einer »prochinesischen« Fraktion unter Nguyen Phu Trong und den Anhängern des »prowestlichen«, reformfreudigen Ministerpräsidenten Nguyen Tan Dung wissen. Dung, dessen Name übersetzt »der überaus Mutige« bedeutet, galt vielen noch im vergangenen Jahr als künftiger Generalsekretär.
Der neuntägige KPV-Kongress firmierte indes unter der Losung: »Solidarität, Demokratie, Disziplin, Erneuerung«. Während Trongs Wiederwahl mit dessen »einzigartigen Erfahrungen« begründet wurde, fügte sich Dung schließlich der Diszi- plin, also dem Mehrheitsbeschluss des alten Zentralkomitees, und verzichtete im Interesse von Einheit und Stabilität der Partei auf eine mögliche Kampfabstimmung.
Die Unterscheidung zwischen »prochinesischen« und »prowestlichen« Kräften taugt ohnehin nur bedingt. Nguyen Phu Trong war im Juli vergangenen Jahres als erster vietnamesischer Parteichef von US-Präsident Barack Obama im Weißen Haus empfangen worden. Die USA sind Vietnams wichtigster Exportmarkt und die vom Parteitag verkündeten Ziele – das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung soll von derzeit 2300 Dollar bis 2020 auf 3200 bis 3500 Dollar wachsen – sind ohne gute Beziehungen zu westlichen Industriestaaten wohl unerreichbar. Ausdrücklich stellte sich die Partei hinter Vietnams Teilnahme am Freihandelsabkommen TPP (Transpazifische Partnerschaft), das Anfang Februar von zwölf Staaten – darunter die USA, nicht aber China – unterzeichnet werden soll.
Dank den Erfahrungen aus 30 Jahren Erneuerungspolitik (Doi Moi) werde man den Risiken des Freihandels für Vietnams Wirtschaft begegnen, hieß es. Um die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu verbessern, müsse das vietnamesische Modell der sozialistisch orientierten Marktwirtschaft allerdings reformiert und perfektioniert werden.
Was den mächtigen Nachbarn China betrifft, bleibt das Verhältnis zwiespältig. Im Streit um Inseln und Seegebiete im Südchinesischen Meer, das in Vietnam Ostmeer genannt wird, ist ein Kompromiss nicht absehbar. Die Region sei ein Zentrum des strategischen Wettbewerbs zwischen den Weltmächten, hieß es während des Kongresses, und das bleibe ein Faktor der Instabilität.
Vietnams allein regierende Partei entschied faktisch auch über die Neubesetzung der anderen Spitzenämter. Aus dem Kreis des von 16 auf 19 Mitglieder – darunter drei Frauen - vergrößerten Politbüros des ZK der KPV wurde der Minister für öffentliche Sicherheit Tran Dai Quang (59) als künftiger Staatspräsident nominiert. Das Amt des Ministerpräsidenten soll der bisherige Vizepremier Nguyen Xuan Phuc (61) übernehmen, während Nguyen Thi Kim Ngan (61) zur Parlamentsvorsitzenden befördert wird. Damit rückt erstmals eine Frau auf einen der vier Spitzenposten Vietnams. Rechtskraft erlangen diese Beschlüsse jedoch erst nach der Neuwahl der Nationalversammlung am 22. Mai dieses Jahres.