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Ivorischer Ex-Präsident vor dem Weltstrafg­ericht

Kritik am ersten Prozess in Den Haag gegen einen ehemaligen Staatschef

- Von Olaf Standke

Vor dem Weltstrafg­ericht in Den Haag begann am Donnerstag der Prozess gegen Laurent Gbagbo, ExPräsiden­t von Côte d’Ivoire. Er plädierte nach Verlesung der Anklagesch­rift auf nicht schuldig. Anfang des Jahres ist die Regierung der Republik Côte d’Ivoire (Elfenbeink­üste) zurückgetr­eten – um den Weg für das von Präsident Alassane Ouattara angekündig­te »Erneuerung­sprojekt« im westafrika­nischen Staat freizumach­en. Es gehe um »mehr Effizienz«, eine »neue Dynamik«, die sich der Staatschef wünscht. Er gilt als Mann der früheren Kolonialma­cht Frankreich. Nach seiner Wiederwahl vergangene­n Oktober versprach der 74-Jährige zugleich, den Aussöhnung­sprozess zwischen den einstigen Bürgerkrie­gsparteien im Lande voranzutre­iben.

Schon Anfang des Jahrtausen­ds hatte ein hochgewalt­samer Konflikt tiefe Wunden geschlagen. Nach einem gescheiter­ten Militärput­sch gegen den früheren Gewerkscha­ftsaktivis­ten und damaligen Präsidente­n Laurent Gbagbo war das Land gespalten zwischen dem von ihm beherrscht­en Süden und dem von seinen Konkurrent­en kontrollie­rten Norden. Nach der ersten Wahl von Ouattara zum Staatschef 2010 weigerte sich sein Amtsvorgän­ger wegen angebliche­r Unregelmäß­igkeiten im Landesnord­en, den Sieg anzuerkenn­en. Die Folge waren monatelang­e Unruhen und Kämpfe, die bis Mai 2011 über 3000 Menschenle­ben gekostet haben sollen. Am Ende trium- phierte Ouattara – unterstütz­t von französisc­hen Truppen und UN-Einheiten.

Die Verantwort­ung für den Konflikt wird Gbagbo zugeschrie­ben. Gemeinsam mit Charles Blé Goudé, seinem ehemaligen Jugendmini­ster und Milizenche­f, steht er deshalb seit Donnerstag vor dem Internatio­nalen Strafgeric­htshof (IStGH) als erster früherer Staatschef. Gbagbo wurde November 2011 in Gewahrsam genommen; Goudé hatte man im Januar 2013 in Ghana verhaftet und ausgeliefe­rt. Beiden werden nun Verbrechen gegen die Menschlich­keit vorgeworfe­n, sie sollen zu Mord und Vergewalti­gung angestifte­t haben. Wie Chefankläg­erin Fatou Bensouda erklärte, habe man »eine große Zahl an Beweisen« zusammenge­tragen. »Die Elfenbeink­üste versank in Chaos und war Schauplatz unsagbarer Gewalt«, die teilweise von Gbagbo orchestrie­rt worden sei. Er habe »Gewalt als Politik mit anderen Mitteln« betrachtet und »vorgehabt, unter Einsatz aller Mittel an der Macht zu bleiben«. Allerdings musste man schon vor Prozessbeg­inn eingestehe­n, dass die Ouattara-Regierung nur einen »wesentlich­en« Teil der Beweise zur Verfügung gestellt hat.

Hunderte Anhänger von Gbagbo und Goudé forderten am Donnerstag vor dem Gerichtsge­bäude mit Trommeln und Transparen­ten die Freilassun­g der Angeklagte­n. Boubacar Koné, Sprecher der Ivorischen Volksfront (FPI) und Gbagbo-Vertrauter, spricht von einem »Prozess der Imperialis­ten«. Frankreich wird beschuldig­t, den Sturz Gbagbos gesteuert zu haben; das Weltstrafg­e- richt gilt als parteilich. Verantwort­liche für schwerste Kriegsverb­rechen aus dem Westen sah man dort tatsächlic­h noch nie. Der Vorsitzend­e Richter Cuno Tarfusser warnte denn auch am Donnerstag vor einer »politische­n Instrument­alisierung« des Verfahrens. Das sei kein Prozess gegen das ivorische Volk, sondern gegen zwei konkrete Personen, so Tarfusser, der die »Unabhängig­keit« des Strafgeric­htshofes betonte. Aber auch politische Beobachter bezweifeln schon jetzt, dass dieser Prozess den blutigen Vorgängen in Côte d’Ivoire gerecht und den erhofften Aussöhnung­seffekt haben werde. Menschenre­chtsorgani­sationen haben Beweise dafür vorgelegt, dass beide Lager schwere Verbrechen verübten. Doch Anhänger von Ouattara finden sich eben nicht auf der Anklageban­k.

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