Kapitulation vor Steuerparadiesen
EU-Kommission stellt Maßnahmenpaket gegen Steuerdumping vor
Jährlich gehen der Europäischen Union bis zu 70 Milliarden Euro an Einnahmen durch Steuervermeidung von Konzernen verloren.
So ganz sicher war sich EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici seiner Sache am Donnerstag nicht. »Heute machen wir einen weiteren Schritt hin zu mehr Vertrauen in die Steuersysteme allgemein, indem wir ihre Fairness und Effizienz stärken«, sagte er bei der Vorstellung der Pläne der Kommission gegen die systematische Steuervermeidung von Konzernen. Doch konnte er nicht oft genug betonen, dass diese nicht der Wettbewerbsfähigkeit der EU schaden würden, ja sogar gut seien für die Unternehmen und von ihnen erwartet worden seien.
Dabei setzt die Kommission lediglich den beschlossenen OECD-Aktionsplan gegen Steuervermeidung und Gewinnverlagerung (BEPS) um. So sollen sich die EU-Mitgliedstaaten künftig im Rahmen des sogenannten Country-by-Country-Reportings automatisch austauschen, wo und wie viel ein internationaler Konzern Gewinn macht sowie Steuern zahlt. Zudem will die Kommission rechtsverbindliche Maßnahmen einführen, die verhindern sollen, dass Konzerne ihre Steuerbasis klein rechnen, indem sie künstlich Lizenzen und Schulden von einem Land ins andere verschieben.
Denn den 28 Mitgliedstaaten gehen durch solche Steuervermeidungsstrategien laut einer Schätzung des EU-Parlaments jährlich zwischen 50 und 70 Milliarden an Einnahmen verloren – »Gelder, die für öffentliche Einrichtungen wie Schulen und Krankenhäuser oder zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung verwendet werden könnten«, wie Moscovici betonte. Beschleunigt hat die Ausarbeitung seiner Pläne vermutlich die sogenannte LuxLeaks-Affäre. In deren Rahmen machten Journalisten dubiose Steuerdeals Luxemburgs mit internationalen Konzernen öffentlich. Besonders Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker setzte dies unter Druck, da er lange Premierminister des Großherzogtums war.
Doch die Pläne der Kommission gehen zumindest dem mächtigen Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) zu weit. »Das EU-Paket gegen Steuervermeidung birgt Gefahren für die deutsche Wirtschaft«, zeigte BDIHauptgeschäftsführer Markus Kerber bereits am Mittwoch im »Handelsblatt« seine Zähne.
Für den EU-Abgeordneten Fabio De Masi von der LINKEN hingegen kommt das EU-Steuerpaket einer Kapitulation vor Steueroasen gleich. »Bei der Zinsschranke wird nicht einmal der OECD-Korridor ausgeschöpft«, so De Masi. Konzerne könnten weiterhin 30 Prozent des Vorsteuergewinns mittels Finanzkonstruktionen verschieben. Eine Schranke bis zehn Prozent wären jedoch möglich gewesen. Auch moniert De Masi, dass das Country-byCountry-Reporting vorerst nur für die Behörden gelte, und die Öffentlichkeit bezüglich des länderspezifischen Steueraufkommens der Konzerne weiterhin im Dunklen tappen soll.
Ähnlich sieht es der grüne EU-Parlamentarier Sven Giegold, dem zufolge die Kommission meilenweit hinter den Forderungen des EU-Parlaments zurückbleibt: »Steuerdumping wird auch weiterhin möglich sein und lediglich umstrukturiert werden.« Zudem ist es noch ein weiter Weg bis zur Umsetzung der Pläne: Vor allem die EU-Mitgliedstaaten müssen ihnen noch zustimmen.