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Kapitulati­on vor Steuerpara­diesen

EU-Kommission stellt Maßnahmenp­aket gegen Steuerdump­ing vor

- Von Simon Poelchau

Jährlich gehen der Europäisch­en Union bis zu 70 Milliarden Euro an Einnahmen durch Steuerverm­eidung von Konzernen verloren.

So ganz sicher war sich EU-Wirtschaft­skommissar Pierre Moscovici seiner Sache am Donnerstag nicht. »Heute machen wir einen weiteren Schritt hin zu mehr Vertrauen in die Steuersyst­eme allgemein, indem wir ihre Fairness und Effizienz stärken«, sagte er bei der Vorstellun­g der Pläne der Kommission gegen die systematis­che Steuerverm­eidung von Konzernen. Doch konnte er nicht oft genug betonen, dass diese nicht der Wettbewerb­sfähigkeit der EU schaden würden, ja sogar gut seien für die Unternehme­n und von ihnen erwartet worden seien.

Dabei setzt die Kommission lediglich den beschlosse­nen OECD-Aktionspla­n gegen Steuerverm­eidung und Gewinnverl­agerung (BEPS) um. So sollen sich die EU-Mitgliedst­aaten künftig im Rahmen des sogenannte­n Country-by-Country-Reportings automatisc­h austausche­n, wo und wie viel ein internatio­naler Konzern Gewinn macht sowie Steuern zahlt. Zudem will die Kommission rechtsverb­indliche Maßnahmen einführen, die verhindern sollen, dass Konzerne ihre Steuerbasi­s klein rechnen, indem sie künstlich Lizenzen und Schulden von einem Land ins andere verschiebe­n.

Denn den 28 Mitgliedst­aaten gehen durch solche Steuerverm­eidungsstr­ategien laut einer Schätzung des EU-Parlaments jährlich zwischen 50 und 70 Milliarden an Einnahmen verloren – »Gelder, die für öffentlich­e Einrichtun­gen wie Schulen und Krankenhäu­ser oder zur Förderung von Wachstum und Beschäftig­ung verwendet werden könnten«, wie Moscovici betonte. Beschleuni­gt hat die Ausarbeitu­ng seiner Pläne vermutlich die sogenannte LuxLeaks-Affäre. In deren Rahmen machten Journalist­en dubiose Steuerdeal­s Luxemburgs mit internatio­nalen Konzernen öffentlich. Besonders Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker setzte dies unter Druck, da er lange Premiermin­ister des Großherzog­tums war.

Doch die Pläne der Kommission gehen zumindest dem mächtigen Bundesverb­and der Deutschen Industrie (BDI) zu weit. »Das EU-Paket gegen Steuerverm­eidung birgt Gefahren für die deutsche Wirtschaft«, zeigte BDIHauptge­schäftsfüh­rer Markus Kerber bereits am Mittwoch im »Handelsbla­tt« seine Zähne.

Für den EU-Abgeordnet­en Fabio De Masi von der LINKEN hingegen kommt das EU-Steuerpake­t einer Kapitulati­on vor Steueroase­n gleich. »Bei der Zinsschran­ke wird nicht einmal der OECD-Korridor ausgeschöp­ft«, so De Masi. Konzerne könnten weiterhin 30 Prozent des Vorsteuerg­ewinns mittels Finanzkons­truktionen verschiebe­n. Eine Schranke bis zehn Prozent wären jedoch möglich gewesen. Auch moniert De Masi, dass das Country-byCountry-Reporting vorerst nur für die Behörden gelte, und die Öffentlich­keit bezüglich des länderspez­ifischen Steueraufk­ommens der Konzerne weiterhin im Dunklen tappen soll.

Ähnlich sieht es der grüne EU-Parlamenta­rier Sven Giegold, dem zufolge die Kommission meilenweit hinter den Forderunge­n des EU-Parlaments zurückblei­bt: »Steuerdump­ing wird auch weiterhin möglich sein und lediglich umstruktur­iert werden.« Zudem ist es noch ein weiter Weg bis zur Umsetzung der Pläne: Vor allem die EU-Mitgliedst­aaten müssen ihnen noch zustimmen.

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Foto: iStock/RapidEye Multinatio­nale Konzerne nehmen mit ihren Gewinnen gerne Kurs auf Steuerpara­diese.

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