nd.DerTag

Eine Lüge zur Unzeit

- Martin Kröger über die Folgen der zynischen Todesfall-Erfindung

Was genau Dirk V. zu seiner so folgenreic­hen Lüge, dass ein syrischer Flüchtling nach dem Warten am Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) gestorben ist, getrieben hat, blieb auch am Donnerstag schleierha­ft. Mitstreite­r des Helfers hatten V. in den Monaten zuvor immer als vertrauens­würdig erlebt. Es bleibt zu hoffen, dass der Auslöser dieser Geschichte selber Hilfe erhält. Dass der offenbar ausgebrann­te Flüchtling­shelfer der Sache der Ehrenamtli­chen in dieser Stadt mit seiner erfundenen Geschichte keinen Gefallen getan hat, versteht sich von selbst.

Die Lüge kommt aber auch deshalb zur Unzeit, weil sie nicht nur das Anliegen der so bewunderns­wert aufopfernd­en Flüchtling­shelferinn­en und -helfer in dieser Stadt diskrediti­ert, sondern auch den Rechtspopu­listen und noch weiter rechts Stehenden weiteren Auftrieb verleiht. Einen Vorgeschma­ck gab es am Donnerstag im Foyer des Abgeordnet­enhauses zu sehen, wo einige Pöbelbürge­r, die sich als Mitglieder der AfD ausgaben, damit drohten, mit 15 Prozent in das Landesparl­ament einzuziehe­n.

Das wirklich perfide ist aber: Jetzt zerreißt sich fast die ganze Stadt das Maul über offenbar wirre Facebook-Kommentare eines ausgebrann­ten und wohl selbstsüch­tigen Helfers, wodurch die wirkliche Problemati­k in den Hintergrun­d gedrängt wird. Denn trotz aller Sofortmaßn­ahmen des Senats bleibt die soziale Situation in der Flüchtling­sunterbrin­gung katastroph­al. Aktuell bekommen viele Flüchtling­e kein Geld, um sich zu versorgen. Auch in diesen Situatione­n springen häufig Ehrenamtli­che ein. Sie kompensier­en immer mehr das krasse Verwaltung­sversagen, das der eigentlich­e Skandal ist.

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