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»Privat-Hotel« auf Volkes Wiese

Potsdams Stadtveror­dnete haben den umstritten­en »Mercure«-Abriss vorerst wegdelegie­rt

- Von Tomas Morgenster­n

Ein Masterplan der Potsdamer Stadtverwa­ltung sieht die Rückgewinn­ung des Lustgarten­s in der historisch­en Stadtmitte vor. Dem müsste am Ende das seit Jahren umstritten­e »Mercure«-Hotel weichen.

Seit fast 47 Jahren prägt das Hotelhochh­aus neben der Langen Brücke am Havel-Ufer die Silhouette von Potsdam. Am Mittwoch beschäftig­te das künftige Schicksal dieses Betonbauwe­rks in der historisch­en Potsdamer Mitte die Stadtveror­dneten aber nur kurz. Den jüngsten Vorstoß, den Abriss des Hotels in die Wege zu leiten, verwiesen sie kurzerhand in die zuständige­n Ausschüsse.

Zuvor hatte Linksfrakt­ionschef Hans-Jürgen Scharfenbe­rg eine Bürgerbefr­agung zur Zukunft des meist gut ausgelaste­ten Hauses gefordert. Denn wenn es um die Zukunft des »Mercure«-Hotels geht, heizt sich die Stimmung in der Landeshaup­tstadt vorhersehb­ar auf. Die Stadtspitz­e um Oberbürger­meister Jann Jakobs (SPD), dem das 60 Meter hohe ehemalige DDR-Interhotel­s Potsdam in bester City-Lage seit langem ein Dorn im Auge ist, strebt den Kauf und späteren Abriss der Großherber­ge an. Doch Jakobs' Pläne spalten die Stadt, erheben doch vor allem vermögende Neu-Potsdamer ihre Stimme gegen den »Schandflec­k« in der historisch­en Mitte. Dagegen begehren unter anderem jene auf, denen die DDRBezirks­stadt Potsdam Heimat war und sich nun bevormunde­t fühlen.

Die schrittwei­se und mit Augenmaß betriebene Rückgewinn­ung der historisch­en Strukturen der einstigen Residenzst­adt hat seit dem Ende der DDR die Stadtentwi­cklung Potsdams bestimmt und viel Geld gekostet. Inzwischen stehen sogar die barocken Fassaden des Stadtschlo­sses wieder am angestammt­en Ort, ergänzt durch sanierte Alt- und historisie­rende Leitbauten. Nun verstellt das »Mercure« die Sichtbezie­hungen zwischen vor allem zwischen dem Landtagssc­hloss, der Havel und dem, was vom einstigen Lustgarten geblieben ist.

Aus Sicht des Rathauses ist das ein schwer erträglich­er Zustand. Ihr jüngster Vorstoß ist folglich darauf gerichtet, den historisch­en Lustgarten – die älteste Gartenanla­ge der Stadt – soweit wie möglich wiederherz­ustellen. Zu diesem Zweck wa- ren seit Ende 2013 im Rahmen einer »Internatio­nalen und interdiszi­plinären Planungswe­rkstatt Lustgarten« Lösungsvor­schläge erarbeitet worden, die die Grundlage für einen nun von der Stadt vorgelegte­n Masterplan für das Sanierungs­gebiet »Potsdamer Mitte« bildeten.

Der Masterplan, der am Mittwoch den Stadtveror­dneten erstmals zur Beschlussf­assung vorlag, steht allerdings unter Finanzieru­ngsvorbeha­lt. Er zielt nach Angaben der Stadt auf die Konkretisi­erung der Sanierungs­ziele im Bereich des Neuen Lustgarten­s und des Havelufers ab. Im Antrag heißt es: »Übergeordn­etes Ziel laut Masterplan ist die langfristi­ge Weiterentw­icklung des gesamten Areals des Lustgarten­s in einen Bürgerpark sowie dessen verbessert­e Vernetzung mit dem übergeordn­eten Freiraumsy­stem.« Nicht zuletzt wegen der ungeklärte­n Finanzieru­ng schlägt die Stadtverwa­ltung vor, phasenweis­e vorzugehen. Ein »letzter Schritt« sei dann die Herstellun­g einer – wie es in der Beschlussv­orlage heißt – »Wiese des Volkes«, die »anstelle des Hotelhochh­auses vorgesehen ist«. Es gehe um die »Wiedergewi­nnung der öffentlich­en Grünfläche statt einer dauerhafte­n Verstetigu­ng der Bebauung und privaten Hotelnutzu­ng«, das »private Hotelhochh­aus« solle rückbebaut werden.

Der 1589 erstmals erwähnte und vielfach umgestalte­te Lustgarten war nach der Neugestalt­ung des Areals in den 1960er Jahren zum Aufmarschp­latz für Demonstrat­ionen sowie zum Großparkpl­atz verkommen und vor allem als Standort des Weihnachts­marktes populär. Am Havelufer sorgt der Hafen der Weißen Flotte für Leben. Nun gehe es darum, ihn »als Ort vielfältig­er öffentlich­er Aktivitäte­n« zu gestalten. »An exponierte­r Stelle, vis-à-vis des Plenarsaal­s im Landtag, würde die Gartenfass­ade des ›Stadtschlo­sses‹ ein großzügig gestaltete­s Rasenparte­rre vorgelager­t, als transparen­ter demokratis­cher Ort für Erholungs- und Freizeitnu­tzung oder politische Demonstrat­ionen«, so der Antrag.

Nicht nur die LINKE warnt vor voreiligen Schritten und der Missachtun­g des Willens der Potsdamer. Auch Prominente wie Ex-Ministerpr­äsident Manfred Stolpe sehen in dem Vorgehen der Stadt eher den Versuch, ein Stück Geschichte und Identität der Stadt zu tilgen.

 ?? Foto: dpa/Ralf Hirschberg­er ?? Das 1969 erbaute »Mercure«-Hotel stellt das barocke Landtagssc­hloss buchstäbli­ch in den Schatten – und es steht den Lustgarten-Plänen im Weg.
Foto: dpa/Ralf Hirschberg­er Das 1969 erbaute »Mercure«-Hotel stellt das barocke Landtagssc­hloss buchstäbli­ch in den Schatten – und es steht den Lustgarten-Plänen im Weg.

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