»Privat-Hotel« auf Volkes Wiese
Potsdams Stadtverordnete haben den umstrittenen »Mercure«-Abriss vorerst wegdelegiert
Ein Masterplan der Potsdamer Stadtverwaltung sieht die Rückgewinnung des Lustgartens in der historischen Stadtmitte vor. Dem müsste am Ende das seit Jahren umstrittene »Mercure«-Hotel weichen.
Seit fast 47 Jahren prägt das Hotelhochhaus neben der Langen Brücke am Havel-Ufer die Silhouette von Potsdam. Am Mittwoch beschäftigte das künftige Schicksal dieses Betonbauwerks in der historischen Potsdamer Mitte die Stadtverordneten aber nur kurz. Den jüngsten Vorstoß, den Abriss des Hotels in die Wege zu leiten, verwiesen sie kurzerhand in die zuständigen Ausschüsse.
Zuvor hatte Linksfraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg eine Bürgerbefragung zur Zukunft des meist gut ausgelasteten Hauses gefordert. Denn wenn es um die Zukunft des »Mercure«-Hotels geht, heizt sich die Stimmung in der Landeshauptstadt vorhersehbar auf. Die Stadtspitze um Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), dem das 60 Meter hohe ehemalige DDR-Interhotels Potsdam in bester City-Lage seit langem ein Dorn im Auge ist, strebt den Kauf und späteren Abriss der Großherberge an. Doch Jakobs' Pläne spalten die Stadt, erheben doch vor allem vermögende Neu-Potsdamer ihre Stimme gegen den »Schandfleck« in der historischen Mitte. Dagegen begehren unter anderem jene auf, denen die DDRBezirksstadt Potsdam Heimat war und sich nun bevormundet fühlen.
Die schrittweise und mit Augenmaß betriebene Rückgewinnung der historischen Strukturen der einstigen Residenzstadt hat seit dem Ende der DDR die Stadtentwicklung Potsdams bestimmt und viel Geld gekostet. Inzwischen stehen sogar die barocken Fassaden des Stadtschlosses wieder am angestammten Ort, ergänzt durch sanierte Alt- und historisierende Leitbauten. Nun verstellt das »Mercure« die Sichtbeziehungen zwischen vor allem zwischen dem Landtagsschloss, der Havel und dem, was vom einstigen Lustgarten geblieben ist.
Aus Sicht des Rathauses ist das ein schwer erträglicher Zustand. Ihr jüngster Vorstoß ist folglich darauf gerichtet, den historischen Lustgarten – die älteste Gartenanlage der Stadt – soweit wie möglich wiederherzustellen. Zu diesem Zweck wa- ren seit Ende 2013 im Rahmen einer »Internationalen und interdisziplinären Planungswerkstatt Lustgarten« Lösungsvorschläge erarbeitet worden, die die Grundlage für einen nun von der Stadt vorgelegten Masterplan für das Sanierungsgebiet »Potsdamer Mitte« bildeten.
Der Masterplan, der am Mittwoch den Stadtverordneten erstmals zur Beschlussfassung vorlag, steht allerdings unter Finanzierungsvorbehalt. Er zielt nach Angaben der Stadt auf die Konkretisierung der Sanierungsziele im Bereich des Neuen Lustgartens und des Havelufers ab. Im Antrag heißt es: »Übergeordnetes Ziel laut Masterplan ist die langfristige Weiterentwicklung des gesamten Areals des Lustgartens in einen Bürgerpark sowie dessen verbesserte Vernetzung mit dem übergeordneten Freiraumsystem.« Nicht zuletzt wegen der ungeklärten Finanzierung schlägt die Stadtverwaltung vor, phasenweise vorzugehen. Ein »letzter Schritt« sei dann die Herstellung einer – wie es in der Beschlussvorlage heißt – »Wiese des Volkes«, die »anstelle des Hotelhochhauses vorgesehen ist«. Es gehe um die »Wiedergewinnung der öffentlichen Grünfläche statt einer dauerhaften Verstetigung der Bebauung und privaten Hotelnutzung«, das »private Hotelhochhaus« solle rückbebaut werden.
Der 1589 erstmals erwähnte und vielfach umgestaltete Lustgarten war nach der Neugestaltung des Areals in den 1960er Jahren zum Aufmarschplatz für Demonstrationen sowie zum Großparkplatz verkommen und vor allem als Standort des Weihnachtsmarktes populär. Am Havelufer sorgt der Hafen der Weißen Flotte für Leben. Nun gehe es darum, ihn »als Ort vielfältiger öffentlicher Aktivitäten« zu gestalten. »An exponierter Stelle, vis-à-vis des Plenarsaals im Landtag, würde die Gartenfassade des ›Stadtschlosses‹ ein großzügig gestaltetes Rasenparterre vorgelagert, als transparenter demokratischer Ort für Erholungs- und Freizeitnutzung oder politische Demonstrationen«, so der Antrag.
Nicht nur die LINKE warnt vor voreiligen Schritten und der Missachtung des Willens der Potsdamer. Auch Prominente wie Ex-Ministerpräsident Manfred Stolpe sehen in dem Vorgehen der Stadt eher den Versuch, ein Stück Geschichte und Identität der Stadt zu tilgen.