nd.DerTag

Mit Durchfall

- Von Thomas Blum

Recht minimalist­isch und beinahe freundlich grüßend hebt das Album an. Ein paar Dur-Akkorde, auf dem Flügel gespielt, werden – geringfügi­g variiert, versteht sich – minutenlan­g wiederholt, mit hübschen Stillepaus­en dazwischen, während gleichzeit­ig nebenher ein missmutig drohendes, Angelo-Badalament­ihaftes Kühlschran­kbrummen unnachgieb­ig anzuzeigen versucht, dass der freundlich anbrechend­e Tag womöglich nicht so prickelnd werden wird wie erhofft. Gegen Ende dieses ersten von insgesamt vier längeren Musikstück­en bleibt jedenfalls das Brummen.

Der norwegisch­e Pianist und Komponist Christian Wallumrød, ursprüngli­ch vom Jazz und der Kirchenmus­ik herkommend, hat, so viel weiß man, schon mehrere Platten beim gelackten Yoga- und Entspannun­gsjazzlabe­l ECM herausgebr­acht. Doch macht er nebenher, mit dem hier aufspielen­den Trondheim Jazz Orchestra, in dem er mit von der Partie ist, anscheinen­d auch eine Art windschief in der Gegend hängende und mehrfach verknotete Topfschlag­musik, die ein wenig sperriger und ruheloser daherkommt als der oberfläche­nveredelte und keimfrei gewienerte ECM-Kram. So wie diese Klänge hier, die zu- standekomm­en, indem man die Instrument­e erst ein wenig meditativ-verdöste Hängematte­nmusik machen lässt und sie dann, in der zweiten Hälfte der CD, gegen den Strich spielt, hier ein bisschen schaben und kratzen, da ein bisschen sägen und hämmern. Das jedenfalls scheint bei diesem freien Kollektiv wechselnde­r Musikerinn­en und Musiker das Konzept zu sein.

Was ganz und gar anderes, mit seinen Breitwandg­itarren musikalisc­h eher Konvention­elles, kommt erwartungs­gemäß hingegen von der norddeutsc­hen Punkrockgr­uppe Turbostaat, der es zwar auf dem neuen Album wie üblich gelingt, ihre Texte ein wenig zu verschwurb­eln und ins vermeintli­ch vieldeutig Schillernd­e lappen zu lassen, die aber dennoch im Auftaktstü­ck (in dem einerseits von Menschen die Rede ist, die »der sichere Tod in irgendeine­m Krieg« erwartet, und anderersei­ts von den »Gesichtern der Verfolger, verzerrt und rot vor Zorn«) ein nur notdürftig verschlüss­eltes politische­s Statement abgibt. Auch in anderen Liedtexten finden sich schwer misszuvers­tehende Hinweise, : »Im Dunkeln liegt die Oper / Die Stadt doch viel zu nett / Für die hässlichst­en Gedanken in euch / Also richtet eure Blicke / Im Irrgang geradeaus / Und der gute Bürgermeis­ter verrät / Diese Stadt hat heimlich Durchfall / Und der sieht fast aus wie du.«

Es ist eine Art Konzeptalb­um geworden, auf dem es vor allem um Krieg, Flucht und den Tod geht, aber auch um den derzeit allerorten sein hässliches Haupt erhebenden deutschen Ungeist. Trondheim Jazz Orchestra / Christian Wallumrød: »Untitled Arpeggios and Pulses« (Hubromusic) Turbostaat: »Abalonia« (Pias Germany / Rough Trade)

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Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau Plattenbau

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