Großer Betrug im kleinen Kreis
Neue Vorwürfe im Skandal um die Fußball-WM 2006 belasten vor allem Wolfgang Niersbach
Aus den vom DFB in Auftrag gegebenen Ermittlungen zur Vergabe der WM 2006 sind neue Details öffentlichgeworden. DiesebelastendenExPräsidenten – und den Verband in seinem Umgang mit dem Skandal. Hat der Deutsche Fußball-Bund (DFB) in den vergangenen Monaten dazugelernt? Am Mittwochabend sind neue skandalöse Details rund um die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 an die Öffentlichkeit geraten – aus den Ermittlungen der vom DFB beauftragten Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer. Wie verschiedene Medien berichteten, soll Stefan Hans in einer erneuten Vernehmung ausgesagt haben, dass jahrelang Dokumente und Hinweise vertuscht worden seien, die auf Korruption oder zumindest dubiose Geschäfte hindeuten würden. Von Stefan Hans, ehemaliger Vize-Generalsekretär des Verbandes und lange Zeit enger Vertrauter vom zurückgetretenen DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach, wird mittlerweile als »Kronzeuge« geschrieben.
»Wir werden den Vorgang erst bewerten und kommentieren, wenn der komplette Freshfields-Bericht vorliegt«, ließ der DFB über Mediendirektor Ralf Köttker am Donnerstag mitteilen. Spätestens Anfang März muss der Verband dann also Stellung beziehen. Das Schweigen des Deutschen Fußball-Bundes zum jetzigen Zeitpunkt kann man, wohlwollend betrachtet, als durchaus positives Zeichen werten. Denn seit die Affäre um die dubiose Zahlung von 6,7 Millionen Euro an den Fußballweltverband FIFA im Oktober bekannt geworden war, agierte der Verband äußerst ungeschickt. Erst hielt er, trotz nachweislicher Lügen im WM-Skandal, in sturer Treue an Wolfgang Niersbach fest. Dann, als sein Präsident im November zurückgetreten war, sah der DFB überhaupt kein Problem darin, dass Niersbach ihn weiterhin in hochrangigen Funktionen bei der FIFA und der UEFA vertritt. Warum? »Er hat über Jahrzehnte sehr viele internationale Kontakte aufgebaut. Es wäre ja töricht, sein Angebot, uns Türen zu öffnen und sich für unser Vorhaben einzusetzen, auszuschlagen«, sprach DFB-Interimspräsident Rainer Koch im Dezember unverblümt über den Plan, die EM 2024 mit Niersbach nach Deutschland holen zu wollen.
Es bleibt zu hoffen, dass der DFB Anfang März dann endlich auch Konsequenzen ziehen wird. Denn Niersbach wurde nun durch Stefan Hans erneut schwer belastet. Nachweislich soll er allerspätestens schon im Mai 2015 von »Unregelmäßigkeiten« im Zusammenhang mit der Vergabe der WM 2006 und der im Jahr 2005 geleisteten Zahlung von 6,7 Millionen Euro an die FIFA gewusst haben. Fedor Radmann, mit Niersbach Mitglied im WM-Organisationskomitee, soll den DFB-Präsidenten informiert haben, Hans soll daraufhin von Niersbach mit Nachforschungen beauftragt worden sein. Das Verbandspräsidium wurde bis zuletzt nicht informiert.
Druck, sich seiner Verantwortung zu stellen und reinen Tisch zu machen, bekommt der DFB seit dem vergangenen Wochenende auch aus den USA. Dort hat das FBI Ermittlungen zur Vergabe der WM 2006 aufgenommen. Ausgangspunkt waren Parallelen zu einer Zahlung von zehn Millionen Dollar von den Organisatoren der WM 2010 in Südafrika, die über FIFA-Konten den ehemaligen Vizepräsidenten des Weltverbandes Jack Warner erreicht haben sollen. Die 6,7 Millionen Euro vom deutschen WM-OK sind, getarnt als Beitrag für eine FIFA-Gala, ebenfalls über Konten des Weltverbandes geflossen. Der eigentliche Empfänger aber war Robert-Louis Dreyfus. Der damalige Adidas-Chef hatte diese Summe im Jahr 2002 für die deutschen WM-Macher an die FIFA bezahlt. Der Vorwurf, dass damit die Wiederwahl des FIFA-Päsidenten Joseph Blatters im gleichen Jahr finanziert wurde, steht weiterhin im Raum.
Auch dazu soll sich Stefan Hans in der Vernehmung geäußert haben: Nur ein kleiner Kreis einiger Mitglieder des früheren WM-Organisationskomitees soll den wahren Zweck der Zahlung gekannt haben. Eine bislang unbekannte Zahlung enthüllte er auch. Demnach soll die FIFA vom DFB sieben Millionen Euro als so genannte Afrika-Hilfe gefordert haben. Davon sollten Fußballplätze gebaut werden. Aber dies habe »wohl nicht sieben Millionen Euro gekostet«, so Hans. Die vom Deutschen FußballBund beauftragte Kanzlei Freshfields wolle nun ermitteln, »ob diese Millionenhilfe ein Ausgleich dafür sein sollte, dass Südafrika die Abstimmung in der FIFA über die WM 2006 gegen Deutschland verloren hatte.«