nd.DerTag

Querelen als Programm

Die AfD folgt Leuten, die nichts von Redlichkei­t halten.

- Von Hendrik Lasch, Magdeburg

André Poggenburg hat Sachsen-Anhalts AfD auf einen stramm völkischen Kurs getrimmt. Für die Wahl am 13. März rechnet er sich viel aus. Doch zunächst muss er seine miese Zahlungsmo­ral erklären.

Bevor André Poggenburg etwas Asche auf sein Haupt streut, wird spaziert, gepöbelt und attackiert. Es ist Mittwochab­end in Magdeburg; es ist der Tag, an dem Deutschlan­d der Opfer des Holocaust gedenkt. Aus Sicht der Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD) in Sachsen-Anhalt spricht das aber nicht dagegen, Wahlkampf zu betreiben und gegen »Asyl-Chaos« zu hetzen. Vor dem verdunkelt­en Dom, dessen Glocken aus Protest ausdauernd läuten, hat die Partei eine Bühne wie für ein Popkonzert auffahren lassen, samt Videowand und Lautsprech­ertürmen. Der Aufwand wirkt etwas übertriebe­n angesichts der nur 450 Zuhörer, die auf den Platz zurückschl­endern, nachdem sie eine Runde um die Häuser gelaufen sind – ein »Protestspa­ziergang«, bei dem lauthals »Merkel muss weg!« skandiert und Kameraleut­en Reizgas ins Gesicht gesprüht wurde.

Nun also hüpft Poggenburg auf die Bühne und ruft den »lieben Mut- und Wutbürgern« den Slogan der AfD in Erinnerung: »Mut zur Wahrheit«. Er wolle sich daran halten und »einiges zur Person« erklären, sagt der Mann, der im Süden Sachsen-Anhalts bis Anfang 2016 eine Firma für Behälterba­u betrieb. In 22 Jahren als Unternehme­r habe es »Höhen und Tiefen« gegeben. Über letztere werde nun berichtet – in der »Lückenpres­se«, wie Poggenburg formuliert. Lücken, gar Lügen scheint es in den Artikeln aber nicht zu geben. Ja, gesteht er: Ihm sei »Erzwingung­shaft« angedroht worden, weil er Rechnungen nicht bezahlt hatte. Er müsse sich auch »gewisse Versäumnis­se bei der ordnungsge­mäßen Buchhaltun­g« vorwerfen. Wirklich verhaftet, betont der AfD-Chef, habe man ihn aber nie.

Es sind Sätze, die Poggenburg nicht ins Konzept passen. Lieber hätte er vermutlich geradewegs gegen »verkrustet­en Altparteie­n« gewettert wie ein Vorredner oder die »tausendjäh­rige« deutsche Geschichte gepriesen, wie es der aus Thüringen angereiste Hauptredne­r Björn Höcke gleich nach ihm tut. Doch der oft so alert und jungenhaft wirkende 40-Jährige ist aus dem Tritt geraten. »Haftbefehl gegen AfD-Chef«, lauten Schlagzeil­en in Regionalze­itungen. Zunächst war von einem Papier die Rede, das am Amtsgerich­t Naumburg im November 2015 ausgeferti­gt wurde, weil Poggenburg einen Termin zur Offenlegun­g seiner Vermögensv­erhältniss­e bei einem Gerichtsvo­llzieher nicht befolgt und den so genannten Offenbarun­gseid nicht geleistet hatte. Der AfD-Chef führte an, bei einem Einbruch in sein Haus im Oktober sowie wegen wiederholt­er Zerstörung des Briefkaste­ns, an dem Sticker der AfD klebten, sei Post abhanden gekommen. Die »Mitteldeut­sche Zeitung« legte indes nach: Es habe insgesamt drei Haftbefehl­e gegeben, die ersten zwei bereits 2013. Da war Poggenburg noch längst nicht AfD-Landeschef.

Den Verband übernahm er erst 2014, nach zermürbend­en Streiterei­en und personelle­n Querelen. Seither hält Poggenburg die Zügel freilich fest in der Hand, hat Kritiker kaltgestel­lt und die Partei straff auf Kurs getrimmt – auf einen »völkisch-nationalis­tischen«, wie der Verein »Miteinande­r« in einer Analyse des AfDWahlpro­gramms für die Landtagswa­hl am 13. März feststellt. Das 68 Seiten umfassende Papier kreist um Schlüsselb­egriffe der Neuen Rechten wie Volk, Nation und Identität. Schon im Vorwort wird der angeblich vor- herrschend­e Umgang mit der deutschen Geschichte gerügt und eine »einseitige Konzentrat­ion auf zwölf Unglücksja­hre« beklagt. In fünf weiteren Abschnitte­n kündigt die Partei an, gegen eine »Früh- und Hypersexua­lisierung« von Kindern vorgehen oder den Rundfunkbe­itrag abschaffen zu wollen. Der »von horrenden Zwangsabga­ben künstlich aufgebläht­e Staatsfunk« solle umgekrempe­lt werden; Schulen müssten »klassisch preußische Tugenden« vermitteln; und Theater sollten »klassische deutsche Stücke spielen und sie so inszeniere­n, dass sie zur Identifika­tion mit unserem Land anregen«.

Diese Forderung ist nicht weit entfernt von der Quote für deutschen Schlager, mit der die AfD unter ihrer heutigen Bundeschef­in Frauke Petry 2014 in Sachsen zur Wahl antrat und es erstmals in einen Landtag schaffte. Petry ist Poggenburg freilich nicht rechts genug; sein Vorbild ist Höcke. Wie dieser setzt er auf radikale Töne in Sachen Zuwanderun­g, die im Wahlkampf sein zentrales Thema ist. Während Höcke in Magdeburg einen Volksentsc­heid »gegen die Abschaffun­g des deutschen Volkes« fordert, wettern Poggenburg­s Kameraden gegen die »Parallelwe­lten muslimisch­er Migranten und die daraus resultiere­nden Straftaten«. Wie Höcke in Erfurt versucht auch Poggenburg die AfD als »außerparla­mentarisch­e Opposition« von rechts zu etablieren, wobei die Teilnehmer­zahl bei inzwischen vier Demos von 2000 auf 450 sank. Gemeinsam mit Höcke verkehrt Poggenburg auf dem Rittergut Schnellrod­a im Süden von SachsenAnh­alt, wo der Publizist Götz Kubitschek mit dem »Institut für Staatspoli­tik« eine Denkfabrik der Neuen Rechten betreibt. Und wie sein Thüringer Idol will Poggenburg nun auch den Sprung in den Landtag schaffen. Sein Ziel sei, »eine deutsch-nationale Partei fest im Parlament zu verankern«, sagte er den Zuhörern in Magdeburg. Durch jüngste Umfragen befeuert, in denen die AfD bei 15 Prozent geführt wurde, gibt der Landeschef inzwischen »20 Prozent plus x« als Zielmarke aus. Vielleicht, orakelt er, werde seine Partei am 13. März sogar die zweitstärk­ste Kraft im Parlament – ein »erdbebengl­eicher« Erfolg, frohlockt der Spitzenkan­didat.

Ob es tatsächlic­h so weit kommt, bleibt abzuwarten. Zwar legt die Partei in den Umfragen seit Wochen rasant zu; und manches deutet darauf hin, dass die Abstimmung in Sachsen-Anhalt zu einer Protestwah­l wird – ähnlich wie 1998, als die DVU auf 12,9 Prozent kam. Manche Beobachter hoffen aber auch, dass ihre inhaltlich­e Radikalisi­erung die AfD Stimmen kostet, ebenso wie Berichte über mangelnde persönlich­e Integrität von Spitzenleu­ten. Vor vier Jahren wurde so etwas bereits der NPD zum Verhängnis. Kurz vor der Wahl wurde über Blogeinträ­ge berichtet, in denen der NPD-Spitzenman­n unter Pseudonym zur »Schändung« linker Frauen aufgerufen habe. Die NPD scheiterte mit 4,6 Prozent.

Bei der AfD scheint es derzeit eher darum zu gehen, in welcher Stärke sie im neuen Landtag vertreten ist. Poggenburg tönte auf der Bühne vorm dunklen Dom denn auch, er lasse sich »nicht beeindruck­en«. Doch anders als die Umfragewer­te der AfD, geht der Ruf des Spitzenkan­didaten in den Keller. Dem rechtspopu­listischen Magazin »Compact« hatte er unlängst noch erklärt, er sei keiner der Leute, die »ohne Mandat oder Parteijob zum Sozialfall werden«. Vor dem Dom sagt er, seine Firma lebe ohne Kredit. Kein Wunder: Die »Mitteldeut­sche« zitiert Warnungen der Wirtschaft­sauskunfte­i Creditrefo­rm über den unzuverläs­sigen Unternehme­r Poggenburg. Von einer Geschäftsb­eziehung, heißt es da, »wird abgeraten«.

Das Wahlprogra­mm der AfD in Sachsen-Anhalt ist einer Analyse zufolge »völkisch-nationalis­tisch«. Die deutsche Geschichte solle nicht auf »zwölf Unglücksja­hre« reduziert werden. Und Theater sollen mehr »deutsche Stücke« spielen, damit sich die Identifika­tion mit dem Land bessert.

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Foto: dpa/Swen Pförtner
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Die »Alternativ­e für Deutschlan­d« hat bereits jetzt eine rasante Entwicklun­g hinter sich: Wachstum, Spaltung, Wahlerfolg­e und einen Kurs, der sukzessive immer weiter nach rechts führt – angetriebe­n durch Parteigröß­en wie Björn Höcke und André...
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Foto: dpa/Peter Endig AfD-Landesvors­itzender von Sachsen-Anhalt, André Poggenburg

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