Brutale Ausgrenzungen
In unserer globalen Volkswirtschaft stehen wir vor einem beträchtlichen Problem: Ein neues Prinzip der Ausgrenzung entwickelt sich. In den letzten beiden Jahrzehnten haben wir miterlebt, wie eine stark wachsende Zahl von Menschen, Unternehmen und Orten aus dem inneren Kern der Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung ausgegrenzt wurde. Möglich gemacht wurde dieser Trend zu einer radikalen Ausgrenzung in manchen Fällen durch Grundsatzentscheidungen, in anderen aber auch durch einige unserer am höchsten entwickelten wirtschaftlichen und technischen Errungenschaften. Der Begriff der Ausgrenzung geht über den vertrauteren Gedanken hinaus, wonach sich die krankhaften Formen des modernen Kapitalismus unter dem Gesichtspunkt einer wachsenden Ungleichheit beschreiben lassen ...
Ein komplexes Extrembeispiel ist in den Industrieländern allgemein bekannt: die Ausgrenzung von Billigarbeitskräften und Arbeitslosen aus den staatlichen Sozial- und Gesundheitssystemen wie auch aus der unternehmensbasierten Versicherungs- und Arbeitslosenunterstützung. Über die Verhandlungen und die Verabschiedung neuer Gesetze hinaus, die zur Umsetzung dieser Ausgrenzung notwendig sind, ist eine Tatsache unübersehbar: Die Kluft zwischen denen, die Zugang zu solchen Leistungen haben, und jenen, denen sie verwehrt bleiben, hat sich vertieft und dürfte unter den derzeitigen Umständen wohl nicht zu beseitigen sein ...
Zur Ausgrenzung führen sehr unterschiedliche Wege. Dazu gehört die Sparpolitik, die zum Schrumpfen der griechischen und der spanischen Wirtschaft beigetragen hat, eine Umweltpolitik, die giftige Emissionen der gewaltigen Bergbautätigkeit im russischen Norilsk oder im US-Bundesstaat Montana übersieht, und so weiter .... Aus dem Vorwort von Saskia Sassen zu ihrem Buch »Ausgrenzungen. Brutalität und Komplexität in der globalen Wirtschaft« (S. Fischer, 3195 S., geb., 24,99 €).