Aufreger der Woche: Flüchtlingskostüme
Bald ist wieder Fasching, Fastnacht, Karneval. Erwachsene Männer mit Bierbauch und Glatze werden sich dann wieder ins Supermankostüm zwängen, Frauen mit Cellulitis im Minirock zur Party gehen. Sinn und Zweck dieses Tuns sind denkbar einfach und gründen sich auf zwei Motive: Zum einen hoffen Träger des Kostüms, dass tatsächliche oder auch nur angenommene Eigenschaften der dargestellten Figur auf sie übergehen; zum anderen lässt sich hinter der Maske das eigene Ich verstecken. Kurzum: Es geht sowohl darum, einmal ein ganz anderer zu sein, alles Gewohnte einzutauschen gegen das Andere und gleichzeitig aber auch um Täuschung. Diese Nachahmung ist deswegen immer eine falsche, denn das Versprechen auf Authentizität erfüllt sich ja nicht. Weder wird aus dem Bierbauch ein stählerner Held noch aus der untersetzten Mittfünfzigerin ein Sexsymbol.
Für Kinder ist solcherart Maskerade nur ein Spiel. Wir haben uns als Kinder als Cowboys und Indianer verkleidet, als He- xen und Prinzessinnen, ohne auch nur einen Gedanken an das Leid der amerikanischen Natives, an die auf den Scheiterhaufen der Inquisition Verbrannten oder an die Verbrechen der weißen Eroberer des amerikanischen Kontinents zu verschwenden. Auch unsere Eltern verstanden den Kauf der Kostüme nicht als politisches Statement.
Dass ein solches heute mit dem Erwerb von solchen Verkleidungen verbunden wird, ist der Globalisierung geschuldet, durch die die unterschiedlichsten Kulturen dieser Welt geradezu gezwungen sind, sich mit den Befindlichkeiten der jeweils anderen Herkunft auseinanderzusetzen. Die daraus entstehende politische Korrektheit in Wort und Bild – die ja auch nicht verkehrt ist; ein wenig mehr Sensibilität im Umgang mit Minderheiten stünde der Mehrheit in einer Gesellschaft gut zu Gesicht – treibt allerdings manchmal die seltsamsten Blüten. So erregte sich eine Teilöffentlichkeit dieser Tage über Faschingskostüme, die ein Online-Händler unter dem Titel »Flüchtling 1./2. Weltkrieg« zum Kauf feil bot. Die Kostüme waren jedoch ursprünglich für den Fasching in Deutschland gar nicht gedacht. Die Kundschaft sitzt vor allem in Großbritannien. Dort ist es an Grundschulen üblich, historische Ereignisse nachzuspielen. Dazu gehört auch ein »World War II-Tag« mit Soldaten- und Flüchtlingskostümen.
Beim Wort »Flüchtling« sahen manche Kommentatoren hierzulande die Grenze des guten Geschmacks überschritten. Es sei, so hieß es beispielsweise in der »taz«, »fast unmöglich, das Kostüm ohne den aktuellen Bezug zur Flüchtlingsfrage zu betrachten«. Das erinnert an den Patienten, der beim sogenannten Rorschach-Test in jedem der Tintenklecksbilder, die ihm vom Psychologen gezeigt werden, eine nackte Frau zu erkennen meint und auf die Feststellung des Arztes, er habe eine schlüpfrige Phantasie, entgegnet: »Wer hat denn all die Schweinereien gemalt, Sie oder ich?«
»Schreibe kurz – und sie werden es lesen. Schreibe klar – und sie werden es verstehen. Schreibe bildhaft – und sie werden es im Gedächtnis behalten.« Joseph Pulitzer