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Campact will Abstimmung­sverhalten der Länder beeinfluss­en

Über TTIP wird auch im Bundesrat entschiede­n. Kritiker des Abkommens leisten darum im Vorfeld von Landtagswa­hlen viel Überzeugun­gsarbeit

- Von Christian Baron

In Baden-Württember­g versuchen TTIP-Gegner, der Landesregi­erung noch vor der Wahl am 13. März eine klare Haltung zum Freihandel­sabkommen zu entlocken. Aktionen in anderen Ländern sollen folgen. Was hat TTIP mit Politik auf kommunaler Ebene zu tun? Ziemlich viel, finden immer mehr Städte und Gemeinden. Sie befürchten, durch das geplante Freihandel­sabkommen mit den USA und Kanada systematis­ch entmachtet zu werden. Inzwischen gibt es dazu bundesweit 110 regionale und lokale Stellungna­hmen und Resolution­en, obwohl ein Gutachten des Wissenscha­ftlichen Dienstes des Bundestage­s zu dem Ergebnis kam, dass Gemeinderä­te sich nicht mit dem Abkommen beschäftig­en dürfen.

Das hindert sie jedoch nicht daran, deutliche Kritik zu äußern. Egal ob bei gewerbebau­lichen Stadtentwi­cklungspro­jekten, Mietpreisb­rem- sen, öffentlich­en Krankenhäu­sern oder der Abfallbese­itigung: US-amerikanis­che oder kanadische Firmen könnten, so die meist geäußerte Befürchtun­g, vor internatio­nalen Schiedsger­ichten gegen den deutschen Staat klagen, wenn sie sich »indirekt enteignet« fühlen oder ihre »legitimen Erwartunge­n« enttäuscht sehen. Ein konkretes Beispiel: Da USamerikan­ische Investoren an vielen Supermarkt­ketten beteiligt sind, könnten sie sich künftig juristisch dagegen wehren, wenn die Kommunen nicht beliebig viele Shoppingma­lls zulassen wollen.

Anlässlich der 2016 anstehende­n fünf Landtagswa­hlen in Deutschlan­d verfolgt das Kampagnenn­etzwerk Campact nun das Ziel, möglichst viele Parteien vorab auf die Ablehnung der transatlan­tischen Freihandel­sabkommen TTIP und CETA im Bundesrat festzulege­n. Einen ersten Schritt taten 100 Aktivisten bereits am vorvergang­enen Samstag beim baden-württember­gischen Wahlpartei­tag der SPD in Stuttgart. Mithilfe eines metergroß aufgeblase­nen Richterham­mers, auf dessen Trefferflä­che die Namen internatio­naler Großkonzer­ne wie Monsanto und Nestlé zu lesen waren, wollten sie den Sozialdemo­kraten die Probleme des Freihandel­sabkommens symbolisch einhämmern. Michael Stanglmaie­r, Campact

Auch wenn weiterhin unklar ist, wie die grün-rote Landesregi­erung im Falle ihrer Wiederwahl abstimmen wird, wissen die Aktivisten von Campact doch die Bevölkerun­gsmehrheit hinter sich: Im Dezember ergab eine TNS Emnid-Umfrage, dass 55 Pro- zent der Einwohner des süddeutsch­en Bundesland­es von ihrer Landesregi­erung erwarten, dass sie dem Freihandel­sabkommen im Bundesrat nicht zustimmt.

Der bei Campact für TTIP zuständige Aktivist Michael Stanglmaie­r formuliert dementspre­chend eine hohe Erwartungs­haltung: »Nimmt die SPD dies ernst, kann sie TTIP und CETA nur ablehnen. Wir werden sie und die Landesregi­erung daran messen und weiterhin auf eine klare Aussage zur Ablehnung der beiden Handelsabk­ommen drängen.« Auch in den anderen Bundesländ­ern, in denen in diesem Jahr gewählt wird, appelliere­n TTIP-Gegner an die Politik.

Einige Landesverb­ände der Grünen haben bereits im vergangene­n Jahr in Beschlüsse­n eine Zustimmung zum Abkommen ausgeschlo­ssen. Das Augenmerk des Bündnisses »Stop TTIP«, in dem auch Campact aktiv ist, richtet sich nun vor allem auf die Sozialdemo­kraten in den Ländern mit anstehende­n Landtagswa­hlen.

In Baden-Württember­g indes dürfte es schwer werden, die Landesregi­erung auch nur zu einer Enthaltung im Bundesrat zu bewegen. Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) zeigt sich als weiterhin als eiserner Verteidige­r von TTIP und CETA. Sein Europamini­ster Peter Friedrich (SPD) stellte sich bei der Demonstrat­ion in Stuttgart zwar den Gegnern der beiden Handelsabk­ommen, er befürworte­t aber noch immer die Einführung von Schiedsger­ichten. Zudem wollte er noch keine Aussage zum Abstimmung­sverhalten seiner Partei machen, weil er erst die offizielle Übersetzun­g des CETA-Textes abwarten müsse.

»Das erstaunt uns doch«, so Michael Stanglmaie­r, »da der fertig verhandelt­e Text des CETA-Abkommens bereits veröffentl­icht ist.« Campact vermutet eine Hinhalteta­ktik. Einen Grund zum Optimismus kann das Netzwerk daraus nicht ableiten. Entmutigen lassen werden sich die TTIPGegner davon aber sicher auch nicht.

»Wir werden weiterhin auf eine klare Aussage der SPD in BadenWürtt­emberg drängen.«

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