Schwere Ankunft im Heute
Satzungsänderung der Sudentendeutschen Landsmannschaft bleibt trotz Richterspruch ein Streitfall
Ein Gericht urteilte im Streit um die Satzungsänderung der Sudetendeutschen Landsmannschaft salomonisch. Beide Seiten jubeln. Ingolf Gottstein freut sich. »Wir haben gewonnen«, kommentierte er das Urteil der Landgerichts München I am Freitag. Gottstein hatte im Namen einer Gruppe von Sudetendeutschen gegen die Ende Februar 2015 von der Sudetendeutschen Bundesversammlung beschlossene Satzungsänderung geklagt. Doch die Gegenseite freut sich nicht weniger: »SL sieht sich durch Gerichtsurteil zur Satzungsänderung politisch und rechtlich bestätigt«, nahm die Spitze der Sudetendeutschen Landsmannschaft (SL) die Entscheidung »mit großer Genugtuung zur Kenntnis«. Das Gericht habe lediglich die im Zuge des Beratungsverfahrens der zuständigen SLGremien kurzfristig vorgenommenen Änderungen am Ursprungsantrag bemängelt. Fehler bei der Einladung zur Bundesversammlung führen laut des Gerichts dazu, dass die Satzungsänderung so keine Gültigkeit hat.
Mit dem vor elf Monaten beschlossenen Antrag waren jene Paragrafen aus der SL-Satzung gestrichen worden, in denen als Vereinszweck der Einsatz für eine »Wiedergewinnung der Heimat« sowie für »Restitution oder gleichwertige Entschädigung« festgelegt ist. Stattdessen wurde nun eine weltweite Durchsetzung aller Menschen- und Grund- rechte gefordert, darunter das Recht auf die Heimat sowie das Selbstbestimmungsrecht der Völker und Volksgruppen. Die Formulierung »Wiedergewinnung der Heimat« hatten auch Gegner der Satzungsände- rung durchaus für verzichtbar gehalten, weil diese tatsächlich als territoriale Forderung gegenüber Tschechien verstanden werden könnte. Dass aber auch Restitution und Wiedergutmachung für die nach dem Zweiten Weltkrieg auf Basis des Kollektivschuldprinzips aus der damaligen Tschechoslowakei vertriebenen Deutschen kein Thema mehr sein sollte, wollten viele Vertriebene so nicht akzeptieren.
Die Gruppe um Gottstein klagte gegen die Satzungsänderung, weshalb im vergangenen Mai schon das Münchener Registergericht deren Eintragung im Vereinsregister verweigert hatte. Die Argumente der Kläger hatten offenbar Gewicht: Denn die Änderung war mit einer Mehrheit von 71,8 Prozent beschlossen worden, das Bürgerliche Gesetzbuch schreibt dafür jedoch eine Drei-Viertel-Mehrheit vor, für eine Änderung des Vereinszweckes sogar die Zustimmung aller Mitglieder. Nach Ansicht des Klägeranwaltes Heinz Veauthier war das Fehlen einer ausreichenden Mehrheit aber gar nicht entscheidend. Denn der Bundesversammlung war ein Antrag des Bundesvorstandes zur Entscheidung vorgelegt worden, welcher erst am Vorabend, also am 27. Februar, formuliert worden war. Dies bedeute, so Veauthier, dass dieser Antrag in der schon am Tag davor verschickten Einladung gar nicht enthalten und das Gremium folglich gar nicht richtig über die Tagesordnung informiert sein konnte.
Dieser Ansicht habe sich nicht nur das Münchener Registergericht angeschlossen, welches im Mai die Eintragung der Satzungsänderung ins Vereinsregister verweigerte, sondern nun auch das Landgericht. Für Veauthier und seinen Mandanten steht daher fest: »Die Satzungsänderung ist nichtig.« SL-Chef Bernd Posselt begrüßte das Urteil allerdings ebenso, »weil es in den für die Landsmannschaft wesentlichen Fragen Rechtssicherheit geschaffen und den Weg für ein baldiges Inkrafttreten der Satzungsänderung durch Eintragung beim Vereinsregister ebne«.
Die Kläger reagierten am Freitagnachmittag sprachlos auf den Jubel der SL: »Das ist totaler Realitätsverlust«, findet Gottstein und zieht eine Parallele zu Posselts nach wie vor eifriger Teilnahme an Sitzungen im Europaparlament, obwohl er vor eineinhalb Jahren aus selbigem geflogen ist. Wie es nun weitergeht, steht in den Sternen. Nur eines dürfte klar sein: Der Streit wird noch lange dauern.
Die Sudetendeutsche Landsmannschaft ist Anfang der 50er Jahre mit dem Ziel gegründet worden, die Interessen der 1945/46 aus der damaligen Tschechoslowakei Vertriebenen zu vertreten. Sie ist Mitglied im Bund der Vertriebenen.