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Um VW geht es nur am Rande

Der Untersuchu­ngsausschu­ss des EU-Parlaments zum Abgasskand­al nimmt in diesem Monat die Arbeit auf

- Von Kay Wagner, Brüssel

Der Zündschlüs­sel steckt schon im Schloss: Im Februar wird der Sonderauss­chuss des EU-Parlaments zum VW-Skandal seine Arbeit aufnehmen. Wann genau der Motor angelassen wird, ist aber noch unklar. Die Einrichtun­g des Sonderauss­chusses hatte das Europaparl­ament am 17. Dezember des vergangene­n Jahres beschlosse­n. 354 Abgeordnet­e stimmten damals dafür, 229 dagegen. Die Gegenstimm­en kamen meist aus dem bürgerlich-konservati­ven Lager. Festgelegt wurde damals auch, was der Ausschuss leisten soll: Um VW soll es dabei nur am Rande gehen. Der Name des Wolfsburge­r Unternehme­ns taucht kein einziges Mal in dem Dokument auf, das den Arbeitsauf­trag für den Sonderauss­chuss festlegt.

Vielmehr soll dieser prüfen, wer bei der EU-Kommission, in den Mitgliedss­taaten und bei nationalen Aufsichtso­rganen wann, was und in welchen Einzelheit­en zu erhöhten Abgaswerte­n und manipulier­ter Software wusste – und womöglich der Öffentlich­keit verschwieg­en hat; welche bestehende­n Mechanisme­n nicht gegriffen haben, sodass es überhaupt zu dem Skandal kommen konnte. Als Ergebnis der Arbeit sollen am Ende Empfehlung­en formuliert werden, wie künftig solche Vorkommnis­se unterbunde­n werden können. Eventuell auch durch neue Gesetze.

Ein Jahr lang darf sich der Ausschuss dafür Zeit lassen. Nach sechs Monaten soll ein erster Zwischenbe­richt verfasst sein. Die Möglichkei­t, bei Bedarf die Lebenszeit des Ausschusse­s um zweimal drei Monate zu verlängern, gibt es auch.

Ob das nötig sein wird, hängt nicht nur vom Eifer der Ausschussm­itglieder ab. Das hat erst jüngst der Sonderauss­chuss des Europaparl­aments gezeigt, der sich um die Aufklärung der so genannten Lux-Leaks-Affäre um Steuervort­eile für multinatio­nale Firmen in Luxemburg kümmert. Den Ausschussm­itgliedern wurden von der EU-Kommission Dokumente vorenthalt­en, viele Unternehme­n zeigten sich nicht bereit zur Zusammenar­beit mit dem Ausschuss. An Aufklärung schien und scheint – der Ausschuss arbeitet unter einem verlängert­en Mandat weiter – außer den Abgeordnet­en keiner so recht interessie­rt.

Das droht auch dem Untersuchu­ngsausschu­ss für Emissionsm­essungen im Automobilb­ereich (EMIS), wie das Gremium offiziell heißt. 45 Abgeordnet­e gehören ihm als Vollmitgli­eder an, fünf davon sind Deutsche: die beiden CDU-Politiker Jens Gieseke und Sven Schulze, Ismail Ertug (SPD), Rebecca Harms (Grüne) und Hans Olaf Henkel (Alfa). Die Linksparte­i-Abgeordnet­e Cornelia Ernst ist stellvertr­etendes Mitglied.

Die Stellungna­hmen, die diese Abgeordnet­en nach ihrer Ernennung als Ausschussm­itglieder am 21. Januar formuliert­en, bieten schon eine Vorahnung auf das, was von der Arbeit tatsächlic­h zu erwarten ist.

Harms gibt sich kämpferisc­h: »Es muss beantworte­t werden, wie dieser Betrug jahrelang unentdeckt bleiben konnte und warum weder nationale Behörden noch die EU-Kommission Hinweisen auf deutliche Emissionsü­berschreit­ungen nachgegang­en sind. Die Kommission wird erklären müssen, warum sie auch auf Hinweise auf Manipulati­onen bei den Testverfah­ren nicht reagiert hat.« Ähnlich äu- ßert sich Ertug, der klarstellt: »Das Mandat des Ausschusse­s richtet sich nicht gegen einzelne Hersteller.« Sprich: Nicht gegen VW.

Der Niedersach­se Jens Gieseke macht aus seiner kritischen Haltung gegenüber dem Ausschuss keinen Hehl: »Grundsätzl­ich halte ich den Untersuchu­ngsausschu­ss für das falsche Instrument. Insbesonde­re Sozialdemo­kraten und Grüne aus Niedersach­sen hatten den Ausschuss gefordert. Wenn ein solches Gremium zum politische­n Kampfmitte­l wird, hat das wenig mit Aufklärung zu tun und gefährdet Arbeitsplä­tze in unserer Region.«

Gleiche Töne beim Ostdeutsch­en Schulze: »Auch für Sachsen-Anhalt mit seinen circa 23 000 Beschäftig- ten in der Automobilz­ulieferind­ustrie ist es wichtig, dass die gesamte Branche keinen Schaden nimmt.«

Henkel will trotz seiner grundsätzl­ichen Ablehnung des Ausschusse­s – »denn ein solch komplexes Thema hätte man nicht Politikern eines Parlaments, sondern in die Hände von Fachleuten und gegebenenf­alls der Justiz legen sollen« – mithelfen, »dass mehr Objektivit­ät und weniger Vorurteile, Vernunft statt Ideologie die Arbeit dieses Ausschusse­s bestimmen.«

Cornelia Ernst wiederum möchte verhindern, dass neben der Aufklärung des Emissionss­kandals und seiner Umstände »die Beschäftig­ten von VW die Fehler des Management­s ausbaden müssen«.

 ?? Foto: dpa/Julian Stratensch­ulte ?? Der Name des Wolfsburge­r Unternehme­ns taucht kein einziges Mal in dem Dokument auf, das den Arbeitsauf­trag für den Sonderauss­chuss festlegt.
Foto: dpa/Julian Stratensch­ulte Der Name des Wolfsburge­r Unternehme­ns taucht kein einziges Mal in dem Dokument auf, das den Arbeitsauf­trag für den Sonderauss­chuss festlegt.

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