Volkssolidarität in Sorge wegen der Altenpflege
Sozialverband kritisiert ungerechtfertigte Unterschiede beim Einkommen der Fachkräfte in Berlin und im Umland
Der Fachkräftemangel in der Altenpflege und der Ärztemangel in ländlichen Regionen nehmen nach Darstellung der Volkssolidarität zu. Ungerechtigkeiten beim Lohn tragen dazu bei. Die Volkssolidarität (VS) wird ihre Aufnahme in das »Bündnis für Brandenburg« beantragen. Das verkündete der Landesvorsitzende Bernd Niederland am Rande des diesjährigen Neujahrsempfangs in Berlin. Thematisiert wurden auf dieser Zusammenkunft ferner ungerechtfertigte Einkommensnachteile der brandenburgischen Pflegekräfte und der zunehmende Ärztemangel im ländlichen Raum.
Mit ihren 86 Begegnungsstätten im Bundesland Brandenburg sehe sich der größte Sozialverband Ostdeutschlands in der Lage, Integrationsprozesse mit zu gestalten, begründete Niederland den Entschluss, dem »Bündnis für Brandenburg« beizutreten. Das Bündnis wurde Ende vergangenen Jahres von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) ins Leben gerufen, um die Kräfte für die Aufnahme vom Flüchtlingen landesweit zu bündeln. Der Neujahrsempfang fand in der brandenburgischen Landesvertretung in Berlin statt. Der Leiter der Vertretung, Staatssekretär Thomas Kralinski (SPD), koordiniert auch die Aktivitäten des Bündnisses.
VS-Landeschef Niederland dämpfte allerdings die Euphorie: Auch wenn es inzwischen positive Einzelbeispiele für produktive Begegnungen gebe – »Wir stehen erst am Anfang.« Zum Neujahrsempfang hatte die märkische Volkssolidarität gemeinsam mit dem Bundesverband und dem Berliner Landesverband der Volkssolidarität eingeladen.
Brandenburgs Sozialstaatssekretärin Almuth Hartwig-Tiedt (LINKE) unterstrich bei dieser Gelegenheit, dass die Flüchtlinge entgegen übler Nachrede »überhaupt nicht auf unsere Kosten leben wollen«. Sie lobte die Volkssolidarität als »wichtigen Partner« für Pflege und Betreuung sowohl alter als auch junger Menschen. Das vorherrschende ehrenamtliche Engagement müsse als Alleinstellungsmerkmal des Wohlfahrtsverbandes immer wieder gegenüber den Konzepten privater Anbieter deutlich gemacht werden. Die Staatssekretä- rin musste sich vorzeitig verabschieden, weil ihr dementer Vater an eben diesem Tage zwecks Pflege stationär aufgenommen worden war.
Gäste der Veranstaltung waren auch Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau und die Bundestagsabgeordnete Birgit Wöllert (beide LINKE) sowie weitere Bundespolitiker, Landräte und der Sprecher der brandenburgischen Armutskonferenz, Andreas Kaczynski.
Landeschef Niederland dankte den 37 500 Mitgliedern der brandenburgischen Volkssolidarität, ferner den rund 4500 ehrenamtlichen Helfern und den über 2000 hauptamtlichen Beschäftigten in Brandenburg. Die Altenhilfe bezeichnete er als Kernbereich, doch betreibe der Verband auch 16 Kitas und weitere Angebote für Heranwachsende.
Niederland sagte voraus, dass sich das Fachkräfteproblem in der Pflege noch einmal zuspitzen werde. Kein Verständnis zeigte er dafür, dass die Entgelte für Pflegeleistungen in Berlin teilweise zwischen 50 und 70 Prozent höher liegen als im umliegenden Brandenburg. Das habe nicht nur im Berlin-nahen Bereich erhebliche Auswirkungen. Die zuständige Krankenkasse AOK könne diese Unterschiede nicht nachvollziehbar erklären. »Die Kassen bewegen sich nicht sehr deutlich.« Niederland forderte Landes- und Kommunalpolitiker dazu auf, ihren Einfluss geltend zu machen, und regte an, im ländlichen Bereich verstärkt medizinische Versorgungszentren auszubauen. Auf neue Niederlassungen von einzelnen Kassenärzten könne man sich nicht mehr verlassen.
Der Präsident der Volkssolidarität, Wolfram Friedersdorff, forderte von der Politik, die Rente »armutsfest« zu machen und sie an den tatsächlichen Lebenskosten zu orientieren. Es gehe um eine Erhöhung des Sicherungsniveaus der gesetzlichen Rente. Menschen nach einem Arbeitsleben zur Armut zu verurteilen, bezeichnete Friedersdorff als »Missachtung der Lebensleistung«.
Staatssekretärin Hartwig-Tiedt räumte ein, dass die Nachteile der brandenburgischen Pflegekräfte bei der Bezahlung »schwer auszuhalten« seien. Dies zu ändern, sagte sie, sei Gegenstand von Verhandlungen, »bei denen wir Sie moralisch unterstützen, die wir Ihnen aber nicht abnehmen können«.