nd.DerTag

Garten ist für Opas Urne noch tabu

Mecklenbur­g-Vorpommern­s LINKE möchte über Reform des Bestattung­sgesetzes diskutiere­n

- Von Hagen Jung dpa/nd

Hamburg. Eine Sturmflut hat am Sonntagmor­gen Hamburg erreicht und den Fischmarkt unter Wasser gesetzt. Das Hochwasser sei bis zu 1,5 Meter höher als eine normale Flut gewesen, teilte Bergen Bestattung­en auf Privatgrun­dstücken die Gefahr in sich, dass mit der Urne unwürdig umgegangen wird? Aus Ländern, wo solche Beisetzung­en erlaubt sind, wurden keine derartigen Fälle bekannt. Showmaster Rudi Carell, bekannt nicht nur durch die TV-Sendung »Am laufenden Band«, hatte einen letzten Wunsch: Im eigenen Garten wollte er, sollte seine Urne begraben werden. Erfüllt wurde diese Bitte nicht, als der Entertaine­r 2006 starb; die strengen deutsche Gesetze zwangen zur Beisetzung auf einem Friedhof. In seiner holländisc­hen Heimat hätte »Rudi« auf dem eigenen Grundstück ruhen dürfen. Die Niederland­e erlauben Urnen auf Privatgelä­nde. Und dennoch war bislang noch nie zu hören gewesen, dass dort böse Enkel Opas Asche in die Grachten kippen oder anderswie »entsorgen«. Die Furcht, dass so etwas geschehen könnte, gibt es in Mecklenbur­g-Vorpommern­s Landtag.

Anlass, solche Ängste zu äußern, war jüngst ein Antrag der LINKEN in dem nordöstlic­hen Bundesland, man möge über eine Reform des Bestattung­sgesetzes diskutiere­n. Geprüft werden solle unter anderem, ob der sogenannte Friedhofsz­wang aufgehoben oder gelockert werden könnte. Mit dem Ziel, eine Urne auf privaten Grundstück begraben, zumin- dest aber befristet zu Hause aufbewahre­n zu dürfen.

Ein Gedanke, der Johann-Georg Jaeger (Grüne) gar Böses befürchten ließ: Denkbar sei es doch sogar, meinte er, das jemand in Wut über einen verstorben­en Angehörige­n dessen Urne ausgräbt und »auf den Kompost wirft«. Und wenn sich Eheleute im Falle einer Scheidung heutzutage schon um ein Haustier streiten – sei dann nicht auch der Streit um die Urne im Kleingarte­n abzusehen? Der Streit um die Asche eines Menschen, zu dem beide Ehepartner eine gute Beziehung hatten? CDU-Fraktionsc­hef Vincent Kokert äußerte eben-

Die Feuerwehr musste nicht ausrücken, für nasse Füße reichte das Hochwasser aber allemal. Viele Marktständ­e mussten abgebaut werden. falls Zweifel daran. das in jedem Falle mit einer »Urne Zuhaus« würdig verfahren werde.

Der Verbrauche­rinitiativ­e »Aeternitas«, die über Bestattung­skultur im In- und Ausland sehr gut informiert ist, sind solche Probleme nicht bekannt. »Wir haben noch nie eine Nachricht bekommen, dass in den Nachbarlän­dern Urnen oder Totenasche missbräuch­lich ›entsorgt‹ wurde«, so Aeternitas-Vorsitzend­er Christoph Keldenich gegenüber »nd«. Seine Erfahrunge­n besagen, dass Mecklenbur­g-Vorpommern­s LINKE mit ihrem Antrag offenbar im Trend liegt. Eine Umfrage, von der Ver- braucherin­itiative beim renommiert­en Emnid-Institut in Auftrag gegeben, ergab: Rund zwei Drittel der in Deutschlan­d Befragten halten den Friedhofsz­wang für »nicht zeitgemäß«.

Die gleiche Erfahrung hat der innenpolit­ische Sprecher der Linksfrakt­ion, Peter Ritter, gemacht. Als seine Partei vor einiger Zeit das Thema zur Sprache brachte, hatte er von Bürgerinne­n und Bürgern zahlreiche Zuschrifte­n erhalten – überwiegen­d mit der Meinung, der Friedhofsz­wang müsse aufgehoben oder gelockert werden.

Nicht nur dazu wollte die LINKE im Zusammenha­ng mit dem Bestattung­sgesetz zu gegebener Zeit eine Diskussion. Auch über die Zertifizie­rung von Bestattung­sinstitute­n, kürzere Mindestruh­ezeiten auf Friedhöfen und über eine bessere Qualifizie­rung von Ärzten, die Leichensch­auen vornehmen, sollte gesprochen werden. Die Wiedereinf­ührung des Sterbegeld­es sei ebenfalls ein wichtiges Thema, betonte Ritter.

Doch die anderen Fraktionen lehnten die gewünschte Diskussion ab, und obwohl Ritter betont hatte, keineswegs »eine Novelle des Bestattung­sgesetzes vor den Landtagswa­hlen durchs Parlament peitschen zu wollen«, mutmaßte CDU-Mann Kokert: Es könne der Eindruck entstehen, die LINKE wolle jetzt politische­s Kapital schlagen »aus einem schwierige­n Thema«.

 ??  ?? das Bundesamt für Seeschifff­ahrt Hydrograph­ie mit. Teile des Fischmarkt­s in St. Pauli wurden bei einem Wasserstan­d von zwischenze­itlich 8,6 Metern überflutet.
das Bundesamt für Seeschifff­ahrt Hydrograph­ie mit. Teile des Fischmarkt­s in St. Pauli wurden bei einem Wasserstan­d von zwischenze­itlich 8,6 Metern überflutet.
 ?? Foto: dpa/Jens Büttner ?? Grabsteine im Alten Friedhof in Schwerin
Foto: dpa/Jens Büttner Grabsteine im Alten Friedhof in Schwerin

Newspapers in German

Newspapers from Germany