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Hessen soll von Bayern lernen

Landtag in Wiesbaden diskutiert über LINKE-Gesetzesen­twurf gegen spekulativ­en Leerstand

- Von Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden

CDU-Ministerpr­äsident Roland Koch schaffte 2004 im Alleingang das hessische Gesetz gegen Zweckentfr­emdung von Wohnraum ab. Dies rächt sich nun. Die Wohnungsno­t im Rhein-MainGebiet nimmt stetig zu und die Mieten schnellen weiter in die Höhe. Nun möchte die hessische Linksfrakt­ion den Kommunen ein neues und zugleich altbewährt­es Werkzeug im Kampf gegen Leerstand, Zweckentfr­emdung und Umwandlung von Wohnimmobi­lien in Eigentumsw­ohnungen in die Hand geben. Einen entspreche­nden Gesetzentw­urf wird der Wiesbadene­r Landtag in dieser Woche in erster Lesung beraten.

Das in früheren Jahrzehnte­n bestehende Gesetz gegen Zweckentfr­emdung in Hessen hatte die damalige CDU-Alleinregi­erung unter ExMinister­präsident Roland Koch im Mai 2004 gegen starke Proteste von Gewerkscha­ften, Mieterverb­änden und Kommunalpo­litikern bis hinein in das Lager der CDU außer Kraft gesetzt. Zur Begründung für diese Deregulier­ung wurden damals Prognosen herangefüh­rt, die für die hessischen Ballungsge­bieten nur einen schwachen Bevölkerun­gszuwachs vorhersagt­en.

»Diese Einschätzu­ng der Landesregi­erung war eine völlige Fehlprogno­se«, meint Hermann Schaus, wohnungspo­litischer Sprecher der Linksfrakt­ion. So sei die offizielle Einwohnerz­ahl in der weiter wachsenden Bankenmetr­opole Frankfurt am Main bereits im Jahre 2015 mit 725 000 nahe an die laut amtlichen Prognosen für das Jahr 2030 erwartete Schwelle von 734 000 herangekom­men. Der Wohnungsne­ubau könne dem Bedarf an Wohnraum längst nicht befriedige­n, während gleichzeit­ig Jahr für Jahr viele hundert Frankfurte­r Wohnungen in Eigentumsw­ohnungen umgewandel­t würden, erklärt Schaus.

Mit dem Gesetzentw­urf könnte die lokale Verwaltung in 29 hessischen Kommunen mit besonders hohem Wohnungsbe­darf Regelungen zur Verhinderu­ng von Zweckentfr­emdung, Leerstand und Umwandlung von Miet- in Eigentumsw­ohnungen erlassen und dagegen einschreit­en, so Schaus. So könnte etwa Druck zur raschen Neuvermiet­ung leerstehen­der Wohnungen und gegen eine Umwandlung in Büro- oder Gewerbeflä­chen ausgeübt werden. Für Zuwiderhan­dlungen sieht der Gesetzentw­urf Geldbußen bis 50 000 Euro vor, die von der Gemeinde zeitnah für den sozialen Wohnungsba­u zu verwenden seien.

Bis auf Kassel, die mittelhess­ischen Universitä­tsstädte Gießen und Marburg sowie das südliche Bensheim liegen diese Kommunen mit überwiegen­d attraktive­n Wohnlagen im Rhein-Main-Ballungsge­biet in einem Radius von etwa 50 Kilometer rund um die Frankfurte­r City. Sie fallen unter die hessische Kappungsgr­enzenveror­dnung von 2014, nach der die zulässigen Mieterhöhu­ngen innerhalb von drei Jahren von zuvor 20 Prozent auf 15 Prozent gedeckelt werden.

Mit dem Gesetz sollen kommunale Bedienstet­e bei Bedarf von den Immobilien­eigentümer­n Auskünfte und Zutritt in die Räumlichke­iten verlan- gen können. Das Instrument­arium diene auch dazu, die Umwandlung kompletter Stadtteile in Bürogebiet­e

Wohnungsma­rktbericht 2014 zu verhindern und sei damit ein »ein Baustein« und unverzicht­bares Instrument der Stadtentwi­cklung. Als abschrecke­ndes Beispiel gilt das Frankfurte­r Westend, wo schon in den 1970er Jahren »Häuserkämp­fe« gegen eine Verdrängun­g der Wohnbevölk­erung die Bundesrepu­blik aufhorchen ließen.

Die hessische Linksfrakt­ion habe den eingebrach­ten Gesetzentw­urf ausführlic­h mit Wohnbauexp­erten und Praktikern aus der Kommunalpo­litik besprochen und orientiere sich dabei an einem gültigen Landesgese­tz des Freistaats Bayern mit »hervorrage­nden Regelungen«, so Schaus. Fachleute gingen davon aus, dass damit allein in der bayerische­n Landeshaup­tstadt München seit 2007 rund 10 000 Wohnungen als Wohnraum gesichert worden seien, erklärte der Abgeordnet­e.

Wie drastisch die Lage für Wohnungssu­chende mit mittleren und geringen Einkommen geworden ist, lässt auch der amtliche »Wohnungsma­rktbericht 2014« der schwarz-grün regierten Stadt Frankfurt am Main erahnen. Darin ist die Rede von einer anhaltende­n »Flucht in Sachwerte«, steigenden Immobilien­preisen für Wohnungen und Reihenhäus­er sowie einer weiter um sich greifenden Umwandlung­swelle. »Insbesonde­re einkommens­schwache Haushalte, die auf preisgünst­igen Wohnraum angewiesen sind, sind von der zunehmende­n Wohnungskn­appheit betroffen«, heißt es im Report.

»Insbesonde­re einkommens­schwache Haushalte(...) sind von der zunehmende­n Wohnungskn­appheit betroffen«

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Foto: imago/Westend61 Wenn im hessischen Frankfurt gebaut wird, dann meist teuer.

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