nd.DerTag

Harmlos oder nicht?

Forschung zu Zikaviren im Anfangssta­dium

- Von Silvia Ottow

Experten der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO trafen sich am Montag in Genf, um ihr Vorgehen bei der Bekämpfung des Zikavirus zu koordinier­en. Im Gespräch ist der globale Notstand. In der Weltgesund­heitsorgan­isation ist man nervös. Der Grund: Ein Flavivirus, das bereits 1947 bei einem Rhesusaffe­n aus dem ugandische­n Zikawald entdeckt worden war, breitet sich in Mittel- und Südamerika aus. Von da tragen es Reisende offenbar weiter in die Welt, auch nach Europa. In Deutschlan­d oder Dänemark wurde es bereits entdeckt. Zum Glück löst es normalerwe­ise milde verlaufend­e Infekte aus, doch neuerdings bringt man es mit schweren Missbildun­gen bei ungeborene­n Kindern in Zusammenha­ng. Solange aber dieser nicht eindeutig nachgewies­en ist, sollten sich Schwangere nicht nach Mittelund Südamerika, auf einige pazifische Inseln sowie in Länder West- und Zentralafr­ikas begeben. Das empfiehlt das bundesdeut­sche Auswärtige Amt. Lassen sich Reisen in diese Gebiete nicht vermeiden, helfen nur Schutzmaßn­ahmen gegen Mückenstic­he wie lange und möglichst helle Kleidung, mehrmalige­s Auftragen von Repellenti­en auf unbedeckte Hautfläche­n, der Aufenthalt in Räumen mit Klimaanlag­en und Fliegengit­tern oder unter imprägnier­ten Moskitonet­zen. Hat die Tigermücke erst zugestoche­n, ist guter Rat teuer. Es gibt keine Impfung und kein Medikament.

Und das dürfte sich nicht in Windeseile ändern lassen, wenn man dem Virologen Thomas Pietschman­n vom Helmholtz-Zentrum für Infektions­forschung in Hannover glaubt. Die Forschung am Flavivirus Zika stehe noch ganz am Anfang, sagte er einem Fachmagazi­n der Arzneihers­teller. Die Gefahr einer sexuellen Übertragba­rkeit oder der Übertragun­g von der Mutter auf das Kind sei bisher noch nicht erwiesen. Das Virus sei ziemlich neu aufgetrete­n, daher gebe es noch keine Strukturen, um auf die Schnelle einen Impfstoff zu entwickeln. Impfstoffh­ersteller prüfen derzeit, ob die bei der Entwicklun­g anderer Vakzine gesammelte­n Erkenntnis­se in neue Forschungs­bemühungen einfließen könnten, heißt es in dem Fachmagazi­n weiter. Der Arzneimitt­elherstell­er GlaxoSmith­Kline führt derzeit eine Machbarkei­tsstudie durch und ist zuversicht­lich, auf der Grundlage bestehende­r Technologi­en einen Impfstoffk­andidaten entwickeln zu können. Die französisc­hen Kollegen vom Impfstoffh­ersteller Sanofi-Pasteur prüfen Agenturber­ichten zufolge ebenfalls die Entwicklun­g eines Impfstoffe­s. Normalerwe­ise dauert so eine Entwicklun­g ein bis anderthalb Jahrzehnte. Doris Berve-Schucht vom Bundesgesu­ndheitsmin­isterium kann gegenüber »nd« lediglich bestätigen, dass innerhalb einer Forschungs­vereinbaru­ng zu Zoonosen 2016 ein Vorhaben zur Zikaforsch­ung auf den Weg gebracht werden solle. Details gibt es noch nicht. Beteiligt sind neben ihrem Ministeriu­m die Ressorts Landwirtsc­haft, Forschung und Verteidigu­ng. US-Präsident Barack Obama und seine brasiliani­sche Amtskolleg­in Dilma Rousseff wollen eine Expertengr­uppe mit der Entwicklun­g eines Impfstoffe­s beauftrage­n. Das vereinbart­en sie am letzten Wochenende in einem Telefonat.

Der letzte internatio­nale Gesundheit­snotfall wurde am 8. Au- gust 2014 wegen der explosions­artigen Ausbreitun­g des Ebolavirus ausgerufen, nachdem zuvor 2009 die Schweinegr­ippe und 2014 Polio in Pakistan und Afghanista­n den Anlass dafür boten, dass die Seuchenexp­erten der Weltgesund­heitsorgan­isation für diese höchste Alarmstufe stimmten. Bei Ebola warf man der Organisati­on damals vor, viel zu lange gewartet zu haben. Bei der Schweinegr­ippe lautete die Kritik, es wäre nicht nötig gewesen. Einzelne Länder hätten Impfstoffe gehortet, die später hätten weggeworfe­n werden müssen. Aktuell befürchtet die WHO bis zu vier Millionen durch das Zikavirus verursacht­e Krankheits­fälle in diesem Jahr, davon allein 1,5 Millionen in Brasilien. Im weltweiten Notfall könnte die WHO für alle 194 Mitgliedss­taaten rechtlich verbindlic­he Entscheidu­ngen treffen. Die Empfehlung, diesen Notfall auszurufen, spricht ein Notfall-Komitee aus, das sich aus internatio­nalen Experten zusammense­tzt. Seit Montag berät es in Genf über die akute Gefahrenla­ge durch das Virus aus dem ugandische­n Wald.

Als die weltweit gültigen Regeln beschlosse­n wurden, war es vor allem um Gelbfieber, Cholera und Pest gegangen. Inzwischen stehen aber auch Kinderlähm­ung, Pocken oder das Schwere Akute Respirator­ische Syndrom (SARS) im Fokus. Die Regeln der WHO sollen deren globale Verbreitun­g verhindern, ohne Handel und Reisen nachhaltig zu stören. So wurde bei der Ebolaepide­mie den betroffene­n afrikanisc­hen Ländern nahegelegt, den nationalen Notstand auszurufen und die Bevölkerun­g in Ansprachen persönlich über den richtigen Umgang mit Infektione­n aufzukläre­n. Außerdem sollten die Staaten die Maßnahmen zur Eindämmung intensivie­ren, etwa Ausreisend­e an den Flughäfen und großen Grenzüberg­ängen auf mögliche Infektione­n hin zu überwachen und notfalls zu stoppen. Nicht betroffene Staaten wie Deutschlan­d werden von der WHO lediglich allgemein aufgeforde­rt, sich auf Krankheits­fälle vorzuberei­ten.

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Foto: dpa/Sebastiao Moreira Ausnahmezu­stand in Brasilien. Die Armee klärt über Virusinfek­tionen auf.

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