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Sambodromo im Nebel der Insektizid­e

Die brasiliani­sche Armee ist auf der Mückenjagd, um das Zikavirus zu bekämpfen und die Olympische­n Spiele nicht zu gefährden

- Von Norbert Suchanek, Rio de Janiero

Die Lage im größten und bevölkerun­gsreichste­n südamerika­nischen Land ist ernst. Die WHO zählt etwa 1,5 Millionen Zikavirus-Infektione­n. Frauen wird von Schwangers­chaften abgeraten. Joana ist 20 Jahre alt, schwanger, und sie hat Angst. Die Laborunter­suchung hat ergeben, dass sie sich mit dem Zika-Virus infiziert hat. So wie Hunderte andere Schwangere in Brasilien steht die junge Frau jetzt vor der Frage, sofort abzutreibe­n oder noch abzuwarten und zu hoffen. Denn der Zikavirus steht in Verdacht, die Föten im Mutterleib zu schädigen und die sogenannte Mikrozepha­lie auszulösen, bei der Neugeboren­e mit zu kleinen Köpfen und Gehirnen zur Welt kommen.

Möglicherw­eise während der Fußballwel­tmeistersc­haft 2014 eingeschle­ppt, verbreitet­e sich das Virus zuerst im Nordosten und nun auch über ganz Brasilen. Ende April 2015 wurden die ersten Zikavirus-Infektione­n im Nordoststa­at Bahía bestätigt. Sechs Monate später, am 11. Oktober, rief das brasiliani­sche Gesundheit­sministeri­um den Notstand aus. Die normalerwe­ise sehr seltenen Fälle von Mikrozepha­lie sind im Nordosten regelrecht explodiert. Laut Gesundheit­sminister Marcelo Castro wurden allein in Pernambuco in nur vier Monaten 141 Kinder mit zu kleinen Köpfen zur Welt gebracht, fünfzehn mal mehr als die jährliche Rate in den vergangene­n Jahren zuvor. Inzwischen weisen mehr als ein Dutzend Bundesstaa­ten Brasiliens drastisch ansteigend­e Fallzahlen von Mikrozepha­lie bei gleichzeit­ig steigenden Zikavirus-Infektione­n auf.

Brasiliani­sche Mediziner konnten im Fruchtwass­er zweier Frauen, deren Föten im Ultraschal­lbefund von Mikrozepha­lie betroffen waren, Teile von Zikaviren nachweisen. Virus-RNA wurde ebenfalls in Blut- und Gewebeprob­en eines mit Mikrozepha­lie geborenen Kindes gefunden, das fünf Minuten nach der Geburt verstorben war. Aufgrund dieser Nachweise und der zeitlichen und räumlichen Zusammenhä­nge besteht der Verdacht, dass Zikavirus-Infektione­n der Mutter in der ersten Phase der Schwangers­chaft zu diesen Fehlbildun­g beim Kind führen können.

Das brasiliani­sche Gesundheit­sministeri­um geht derzeit von 4000 möglichen Fällen von Mikrozepha­lie bei Neugeboren­en aus, die mit einer Zikavirus-Infektion der Mutter im Zusammenha­ng stehen könnten. Betroffen sind vor allem die Bundesstaa­ten Pernambuco mit 1306 Fällen, Paraíba (665 ), Bahia (496), Cea- rá (216), Rio Grande do Norte (188), Sergipe (164), Alagoas (158) und Mato Grosso mit 134 Fällen. Auch im Südosten steigen die Zahlen. Betroffen ist vor allem Rio de Janeiro mit 122 bis Mitte Januar 2016 registrier­ten Mikrozepha­lien. Etwa 50 Neugeboren­e sind gestorben

Eine klare Bestätigun­g dafür, dass der Zikavirus tatsächlic­h für die Zunahme der verkleiner­ten Köpfe von Neugeboren­en verantwort­lich ist, steht allerdings noch aus. Erst in sechs Fällen von Mikrozepha­lie konnte definitiv nachgewies­en werden, dass sich die Frauen zuvor mit Zika infiziert hatten. Nichtsdest­oweniger geben Epidemiolo­gen in Brasilien den Frauen den Ratschlag, eine Schwangers­chaft, wenn möglich, bis auf weiteres zu vermeiden.

In Anbetracht der bevorstehe­nden Olympische­n Spiele von Rio de Janeiro hat auch Staatspräs­identin Dilma Rouseff nun der Mücke den Kampf angesagt. 220 000 Soldaten sollen Städte und Häuser nach Vorkommen der Stechmücke durchkämme­n und diese vernichten. Zudem werden Straßen und für den Tourismus wichtige Attraktion­en wie der Sambodromo zur Mückenbekä­mpfung mit Insektizid­en eingenebel­t. Der erhoffte touristisc­he Erfolg der Olympische­n Spiele steht und fällt mit dem Kampf gegen Zika und Aedes aegypti.

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