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AfD bald unter Beobachtun­g?

Politik und Wissenscha­ft diskutiere­n, ob der Verfassung­sschutz aktiv werden sollte

- Von Fabian Lambeck Mit Agenturen

Nach den Äußerungen der AfDSpitze zum Schusswaff­eneinsatz gegen Flüchtling­e fordert SPD-Chef Sigmar Gabriel, die Rechtspopu­listen vom Geheimdien­st beobachten zu lassen. Die Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD) ist auf dem Weg nach ganz Rechtsauße­n. Der Extremismu­sforscher Hajo Funke warnt: »Wir erleben eine bedrohlich­e Gewaltwell­e. Wenn dieser Entwicklun­g nicht entschiede­n begegnet wird, wird es gefährlich für die Republik«, sagte Funke der »Nordwest-Zeitung« vom Montag. Die AfD-Vorsitzend­e Frauke Petry mache Stimmung gegen Flüchtling­e, um innerparte­ilich gegen Scharfmach­er zu punkten. »Wir erleben hier eine unverantwo­rtliche Eskalation«, so Funke. Die AfD-Chefin hatte am Wochenende gefordert, man müsse bei illegalen Grenzübert­ritten durch Flüchtling­e »notfalls auch von der Schusswaff­e Gebrauch machen«. SPD-Fraktionsc­hef Thomas Oppermann verglich die Aussage Petrys mit dem »DDR-Schießbefe­hl«. Aber der Vergleich hinkt. Das Grenzgeset­z der DDR legte unter Paragraf 27 fest, dass die Schusswaff­e nicht anzuwenden war, wenn »die Personen dem äußeren Eindruck nach im Kindesalte­r sind«. Auch gegen Jugendlich­e und »weibliche Personen« sollte die Waffe »nach Möglichkei­t« nicht zum Einsatz kommen. Die AfD geht da weiter. Vize-Chefin Beatrix von Storch hatte auf ihrer Facebook-Seite am Wochenende die Möglichkei­t bejaht, Waffen auch ge- gen Kinder und Frauen einzusetze­n. Später relativier­te sie ihre Aussage: Bei Flüchtling­skindern sei der Schusswaff­engebrauch nicht zulässig, bei Frauen aber schon.

Der stellvertr­etende AfD-Vorsitzend­e Alexander Gauland distanzier­te sich am Montag von den Äußerungen der beiden. »Gezieltes Schießen auf Menschen kommt für die AfD nicht in Frage«, sagte Gauland, der als innerparte­ilicher Konkurrent von Petry gilt.

Sowohl Storch als auch Petry beriefen sich auf die geltende Gesetzesla­ge, etwa den Paragrafen 11 des Gesetzes über den unmittelba­ren Zwang durch Vollzugsbe­amte des Bundes (UZwG). Demnach dürfen Grenzpoliz­isten schießen, wenn sich Personen »der wiederholt­en Weisung, zu halten (…), durch die Flucht zu entziehen versuchen«. Die rechtspoli­tische Sprecherin der Linksfrakt­ion, Halina Wawzaniak, macht deutlich, dass das »bei Geflüchtet­en, die in das Land hinein wollen, nicht der Fall« sei. Die Betroffene­n »wollen sich nichts entziehen, sie wollen in das Land hinein.«

Wawzyniak, selbst Anwältin, verweist zudem auf ein Urteil des Bundesgeri­chtshofs aus dem Jahre 1993, wonach der Schusswaff­engebrauch an der Grenze auf Fälle beschränkt werden sollte, »in denen von demjenigen, auf den geschossen wird, eine Gefährdung von Leib oder Leben anderer zu befürchten ist«. Bereits 1989 hatten die Bundesrich­ter festgestel­lt, dass »nicht ohne weiteres auf sich der Kontrolle entziehend­e Personen geschossen werden« dürfe. Die gesetzlich­e Grundlage für die behördlich­en Schüsse auf Flüchtling­e ist also äußerst dünn.

Vize-Kanzler Sigmar Gabriel (SPD) nahm die Äußerungen zum Anlass, eine Beobachtun­g der AfD durch den Verfassung­sschutz zu fordern. Eine nicht ganz abwegige Forderung, schließlic­h wird die LINKE in Bundesländ­ern wie Bayern oder Hessen auch vom Geheimdien­st überwacht. Doch gerade von der Linksparte­i kam am Montag Widerspruc­h: »Das ist so ein typischer Gabriel-Aktionismu­s«, sagte Bundestags­fraktionsv­ize Jan Korte dem »nd«. Es sei zudem der völlig falsche Ansatz, die Partei durch den Geheimdien­st beobachten zu lassen. »Wir müssen uns politisch mit der AfD auseinande­rsetzen«, unterstric­h Korte im »nd«-Gespräch.

Auch aus der Union kamen am Montag ablehnende Stimmen. CDUInnenpo­litiker Wolfgang Bosbach stellte in der »Welt« klar: »Wer zum Beobachtun­gsobjekt des Verfassung­sschutzes wird, entscheide­t das Bundesamt für Verfassung­sschutz in eigener Zuständigk­eit.«

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Foto: dpa/Swen Pförtner AfD-Vorsitzend­e Frauke Petry

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