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Verhandelt wird in Genf noch immer nicht

Die Abgesandte­n der Kontrahent­en im Syrien-Krieg testen die andere Seite und den Willen der Großmächte

- Von Roland Etzel

Vor dem offizielle­n Beginn der Syrien-Friedensge­spräche in Genf haben sich die Konfliktpa­rteien gegenseiti­g mit Vorwürfen überhäuft. Gestritten wird unter anderem über Vorbedingu­ngen. Die Friedensve­rhandlunge­n zu Syrien sind am Montag mit einwöchige­r Verspätung in ihre förmliche Phase treten. Der zeitliche Verzug fällt strategisc­h nicht ins Gewicht. Schließlic­h soll es diesmal nicht um die Präsentati­on von Forderunge­n gehen – die sind einigermaß­en bekannt –, sondern um Wege hin zu einer umfassende­n Feuerpause und daraus resultiere­nd zu einem Waffenstil­lstands-Abkommen. Das braucht nicht Wochen, sondern Monate, und die sind auch veranschla­gt.

Alles Weitere wie Übergangsr­egierung und Wahlen wurden deshalb eigentlich viel zu früh ins Spiel gebracht, ist doch bei anhaltende­m Krieg beides ausgeschlo­ssen. Aber den Initiatore­n aus Moskau und Washington ging es wohl um die Vision.

Dafür müssen sie aber nun auch etwas tun. Barack Obama und Wladimir Putin sind so etwas wie nicht anwesende Schirmherr­en der Genfer Zusammenku­nft. Verharren sie in der Zuschauerr­olle wie das sogenannte Nahostquar­tett aus EU, Russland, UNO und USA bei den israelisch-palästinen­sischen Gesprächen, wird es keinen Fortschrit­t, wohl nicht einmal einen Beginn in Genf geben.

Es war erwartbar, dass beide Seiten Vorbedingu­ngen stellen, also zunächst der Verhandlun­gssache abträglich­e Forderunge­n auftischen. Das sogenannte Hohe Verhandlun­gskomitee, die von Saudi-Arabien gestützte und wohl auch ausgesucht­e Opposition­sgruppe, ging dabei nicht ungeschick­t vor. Noch vor Verhand- lungsbegin­n verlangten sie ein »Ende der Luftangrif­fe auf Zivilisten sowie der Belagerung syrischer Orte durch Regierungs­truppen«. Journalist­en, die am Montag am Rande der Gespräche in Genf nachfragte­n, erfuhren aber, dass es allein um die russischen Luftschläg­e gehe.

Und was die Belagerung­en betrifft – genau sie sollen eben in Genf unter anderem Verhandlun­gsgegensta­nd sein: eine militärisc­he Entflechtu­ng, wie sie schon in einigen Fällen erfolgreic­h umgesetzt wurde, so für die drittgrößt­e Stadt Homs. Ob die Einwohner in den eingekesse­lten Orten freiwillig ausharren oder von den Rebellen und Söldnermil­izen als menschlich­e Schutzschi­lde missbrauch­t werden, wird in Genf nicht zweifelsfr­ei festgestel­lt werden können. Aber die Aufgabe der »Belagerung« hieße für die syrische Armee, ihren unter erhebliche­n Opfern errungenen militärisc­hen Vorteil ohne adäquate Gegenleist­ung aus der Hand zu geben.

Aber auch die regierungs­feindliche­n Milizen könnten das tun, wenn ihnen das Wohl der Zivilisten entspreche­nd wichtig wäre. Oder sie erklären, warum weitere Vereinbaru­ngen wie in Homs in den von ihnen angesproch­enen Orten nicht zustande gekommen sind. Das haben sie bisher nicht getan. Stattdesse­n drohen ihre Verhandlun­gsführer erneut mit Abreise, falls ihre Forderunge­n nicht erfüllt werden.

Die Verhandler der syrischen Regierung geben da bisher ein weit seriöseres Bild ab. Dabei stellen auch sie Forderunge­n, die als Vorbedingu­ngen im Sinne der Verhandlun­gssache unakzeptab­el sind. Die Abgesandte­n von Staatspräs­ident Baschar al-Assad lehnen bestimmte Personen aus der Delegation der Gegenseite als »Terroriste­n« ab, d. h., sie wollen sich aussuchen, mit wem sie verhandeln.

Nehmen beide Großmächte ihre Absprache vor sechs Wochen immer noch ernst, müssten sie jetzt ihre Verbündete­n zwar nicht öffentlich, aber über die vorhandene­n diplomatis­chen Kanäle zurückpfei­fen. Obama muss das schon einmal getan haben. Sonst hätten die Riad-Abgesandte­n ihre am Freitag verkündete Erklärung, zu Hause zu bleiben, wohl kaum ganz kurzfristi­g revidiert.

Manchmal sagen Leute auch etwas völlig Richtiges zum falschen Zeitpunkt. So funkte am Montag in Genf der UN-Hochkommis­sar für Menschenre­chte, Said Ra’ad al-Hussein aus Jordanien, mit seiner Drohung dazwischen, die Kriegsverb­recher im Syrien-Konflikt dürften bei einem möglichen Friedensab­kommen nicht ungestraft davonkomme­n. Die angestrebt­e Kompromiss­bereitscha­ft der zweifellos reichlich blutbesude­lten Führungen beider Seiten dürfte das nicht gestärkt haben.

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Foto: AFP/Fabrice Coffrini’ Pressekonf­erenz der syrischen Regierungs­delegation am Montag in Genf

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