Queere Paare spalten Italien
Der Senat debattiert über die Einführung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften
Die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften ist ein zentrales Projekt der linksliberalen Regierung Italiens. Doch die konservative Opposition ist heftig. Es ist leicht neblig in der ewigen Stadt, als sich die ersten Teilnehmer an der angekündigten Großdemonstration vor dem Palazzo Madama in Rom versammeln. Viele tragen einen Wecker, denn das Motto lautet #svegliatitalia, »Wach auf, Italien!«.
Die Uhren ticken, und die progressiven Italiener verlieren langsam die Geduld. Italien ist mittlerweile das einzige Land in Westeuropa, das gleichgeschlechtliche Paare in keiner Weise anerkennt. Andere Staaten mit katholisch geprägten Kulturen wie Spanien, Portugal oder Frankreich haben in den letzten Jahren die Ehe für alle eingeführt. Selbst mittelosteuropäische, konservative Länder wie Ungarn oder Kroatien ermöglichen eingetragene Partnerschaften.
In Italien begann endlich am vergangenen Donnerstag im Senat die erste Debatte über den bereits im Oktober vorigen Jahres präsentierten Gesetzentwurf – ein zentrales Projekt der linksliberalen Regierung von Matteo Renzi.
Dass sich die Politik an dieser verhärteten Front überhaupt bewegt, betrachten die meisten Aktivistinnen und Aktivisten als Durchbruch. »Es wird endlich offen über gleich- geschlechtliche Familien geredet, noch vor zehn Jahren wäre dies unvorstellbar gewesen«, kommentiert Marilena Grassadonia, Vorsitzende des Vereins der Regenbogenfamilien (»Famiglie Arcobaleno«). Die Verspätung Italiens erklärt die Aktivistin vor allem durch den außergewöhnlich starken Einfluss traditioneller Vorstellungen über die gesellschaftlichen Rollen von Mann und Frau, gerechtfertigt durch das religiöse Dogma, sanktioniert durch die Alltagspraxis der Gesellschaft.
Trotz der Durchbruchstimmung gilt der Erfolg der jetzigen Initiative bei Weitem nicht als garantiert. Im Vorfeld der parlamentarischen Debatte wurden mehr als 6000 Änderungsvorschläge gemeldet, durch die vor allem die Rechtspopulisten der Lega Nord und andere konservative Abgeordnete versuchen, die Verabschiedung des Gesetzes zu verhindern. Selbst einige Vertreter der linksliberalen Demokratischen Partei (PD) des Premiers empfanden den Entwurf als zu radikal und drohten dem Regierungschef damit, ihm bei der Abstimmung die Gefolgschaft zu verweigern.
Insbesondere die Einführung eines eingeschränkten Adoptionsrechts gilt als umstritten: Ähnlich wie heute in Deutschland sollen Schwule und Lesben die biologischen Kinder ihrer eingetragenen Partner oder Partnerinnen adoptieren dürfen. Linke Katholiken im italienischen Senat meldeten zahlreiche Änderungswünsche an, die diese ohnehin bescheidene Adoptions- regelung weiter schwächen soll. Wird der Entwurf trotz der Schwierigkeiten Mitte Februar wie vorgesehen durch das Oberhaus verabschiedet, folgt die gleiche Prozedur im Abgeordnetenhaus. Bei Abweichungen der beschlossenen Textvarianten wird der Vermittlungsausschuss eingeschaltet.
Unterdessen organisierten die konservativen Gegner des Gesetzes am vergangenen Samstag einen Protest. Unter dem Motto »Family Day« und mit massiver Unterstützung durch prominente Vertreter des katholischen Klerus äußerten rund 400 000 Gegendemonstranten den Wunsch, die traditionelle Familie zu schützen.
Trotzdem bleiben die Befürworter der Gleichstellung optimistisch. »Ein Großteil der italienischen Gesellschaft ist seit Langem selbst für die Einführung einer vollwertigen Ehe bereit«, betont Aktivistin Grassadonia.
»Wir haben gute Karten, aber die offen homophobe Kirche und die konservativen Politiker in allen Parteien – auch im linken Lager – werden alles tun, um das Gesetz zu verhindern«, kommentiert Rosario Coco, Vorsitzender des Schwulen- und Lesbennetzwerks Anddos-Gaynet Roma und Veranstalter der Demonstrationen für die gleichgeschlechtliche Partnerschaft. »Nach den langen Jahren, als Berlusconi an der Macht war, ist die Politik in vielerlei Hinsicht rückständiger als die Gesellschaft selbst. Wir haben noch einen langen Weg vor uns.«