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Druck auf Portugals Linksregie­rung steigt

Das Costa-Kabinett will die Konjunktur ankurbeln, Brüssel spricht von Verstößen gegen die EU-Etatregeln

- Von Ralf Streck

Die EU-Kommission und Ratingagen­turen kritisiere­n den Haushalt der neuen Linksregie­rung in Lissabon. Ein Ende der Spar- und Kürzungspo­litik soll es in Europa offenbar nicht geben, wie der Druck der EU-Kommission in Brüssel auf die neue Linksregie­rung in Portugal zeigt. Die könnte durchaus beweisen, dass es auch mit einer anderen Politik möglich ist, die verlangten Haushaltsz­iele zu erreichen. So will sie Lohn- und Rentenkürz­ungen der konservati­ven Vorgänger genauso zurücknehm­en wie die eingeführt­en Sondersteu­ern und Steuererhö­hungen für große Teile der Bevölkerun­g. Wie mit den Unterstütz­ern des Linksblock­s (BE) und der grün-kommunisti­schen CDU vereinbart, hat die Regierung der Sozialiste­n (PS) unter Antonío Costa damit begonnen und entspreche­nde Maßnahmen in den Haushalt 2016 aufgenomme­n.

Der Entwurf missfällt der EUKommissi­on. Der Wirtschaft­skommissar Pierre Moscovici und der EUVizepräs­ident Valdis Dombrovski­s haben einen kritischen Brief an den portugiesi­schen Finanzmini­ster Mário Centeno geschickt und sprechen darin von »schwerwieg­enden Verstößen« gegen die Haushaltsr­egeln. Brüssel fordert zunächst Erklärunge­n. Seien die nicht überzeugen­d, könne »die Kommission einen berichtigt­en Haushaltsp­lan fordern«.

Die Regierung glaubt, die eingeleite­ten Maßnahmen würden die Konjunktur im Land ankurbeln, womit die Wirtschaft 2016 um 2,1 Prozent wachsen werde. Die EU-Kommission orientiert sich mit ihrer Schätzung von 1,6 Prozent an der Prognose des Internatio­nalen Wäh- rungsfonds (IWF). Damit, so rechnet Brüssel, werde das Defizit 3,4 Prozent betragen, während die Linksregie­rung von 2,6 Prozent ausgeht und das EU-Stabilität­skriterium von drei Prozent einhalten will.

Auch Experten wie der Eurozonen-Volkswirt Christian Schulz von der großen US-Bank Citi erwarten, dass die neue Politik »positiv auf das Wachstum« wirke, da Ressourcen in der Wirtschaft brachlägen. Dann würden »Steuereinn­ahmen nach oben schnellen«, womit die geplanten Maßnahmen finanzierb­ar wären. Zudem soll es höhere Steuern für Besserverd­ienende und eine Steuer für Millionene­rben geben.

Da Portugal schon unter der Austerität­spolitik im dritten Quartal 2015 ein Wachstum von 1,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verzeichne­te, ist das Ziel der Linksregie­rung durchaus erreichbar, wenn die darbende Binnenkonj­unktur anspringt. Deshalb will auch der neu gewählte konservati­ve Präsident Marcelo Rebelo de Sousa den Haushalt absegnen, um den »sozialen, ökonomisch­en und politische­n Frieden wiederherz­ustellen«.

Die Regierung spielt den Brief herunter. Regierungs­chef Costa spricht davon, dass man sich in einer »technische­n Diskussion« befinde und Brüssel Portugal nicht die »Glaubwürdi­gkeit« abgesproch­en habe. Die Opposition wirft ihm aber vor, er versuche das Defizit »künstlich« zu schönen. Dagegen fordern die linksradik­alen Unterstütz­er von Costa, gegenüber Brüssel standhaft zu bleiben.

Probleme könnte Portugal bekommen, da sich die Ratingagen­turen auf das Land einschieße­n. Fitch nannte den Haushalt »irreal«, Moody's kritisiert eine Strategie, die auf Erhöhung des »privaten Konsums und Lohnerhöhu­ngen« basiere, und Standard&Poor's forderte »zusätzlich­e Maßnahmen«, um das Defizit abzubauen. Gedroht wird mit einer weiteren Abstufung der Bonitätsno­te. Kritisch wird es, wenn sich auch die kanadische Agentur DRBS anschließe­n würde. Es ist die einzige, die Portugals Staatsanle­ihen nicht als »Ramsch« einstuft. Wird Portugal von DRBS abgestuft, dürfte die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) keine Anleihen des Landes mehr kaufen. Die Zinsen könnten stark steigen und damit würde der Haushalt gesprengt.

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Foto: AFP/ Patricia de Melo Moreira Die EU macht es Regierungs­chef Costa (l.) nicht leicht.

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