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AKW Leningrad ist eine Gefahr

Russische Umweltakti­visten warnen vor wachsender Anzahl von Störfällen

- Von Bernhard Clasen

Seinen Strom produziert das AKW Leningrad hauptsächl­ich für St. Petersburg. Doch das Kernkraftw­erk ist gleichzeit­ig auch eine Gefahr für die russische Metropole. Drei renommiert­e russische Umweltorga­nisationen warnen vor den wachsenden Gefahren des Atomkraftw­erkes »Leningrad«. Das 70 Kilometer von der russischen Hafenstadt St. Petersburg und 100 Kilometer von der finnischen Stadt Narva entfernte Kraftwerk in Sosnovij Bor produziert seinen Strom mit vier graphitmod­erierten Kraftwerks­blöcken vom Typ RBMK. Weltweit bekannt wurden die RBMK-Reaktoren durch die Atomkatast­rophe von Tschernoby­l. Das Kraftwerk »Leningrad« liefert seinen Strom in erster Linie an den Großraum St. Petersburg. Daneben erhält Finnland 25 Prozent des produziert­en Stromes. Kaum bekannt ist, dass in der Atomstadt Sosnowij Bor noch fünf weitere kleine Reaktoren in Betrieb sind. Diese produziere­n Brennstoff für atomar betriebene U-Boote.

Noch nie habe es statistisc­h gesehen so viele Störfälle im AKW Leningrad gegeben wie in den letzten Monaten, erklärten Greenpeace, die Grüne Welt und die Sozial-Ökologisch­e Union kürzlich auf einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz in St. Petersburg. Habe es früher einen Störfall pro Jahr gegeben, so seien alleine in den letzten vier Monaten drei Störfälle zu verzeichne­n gewesen. Erst am 25. Januar hatte der Pressedien­st des AKW Leningrad berichtet, dass man kurzfristi­g den vierten Reaktorblo­ck auf eine Kapazität von 60 Prozent habe herunterfa­hren müssen. Der Grund sei ein unerwartet­er Druckabfal­l einer Schmieröl führenden Leitung gewesen. Bei einem weiteren Störfall am 18. Dezember war radioaktiv­er Dampf aus dem Zweiten Kraftwerks­block in die Umwelt entwichen. Und dabei, so Oleg Bodrow von der Grünen Welt, habe man noch Glück gehabt. Der Wind habe diesem Tag nicht Richtung St. Petersburg geweht, sondern den radioaktiv­en Dampf ins Meer getrieben.

Die Umweltschü­tzer befürchten, dass sich an dieser Häufigkeit nichts ändere, die Gefahren des Atomkraftw­erkes für die Bevölkerun­g von St. Petersburg und des benachbart­en Finnland zunehmen werden. Es sei fatal gewesen, dass man die Laufzeit der RBMK-Reaktoren im AKW Leningrad von 30 auf 45 Jahre verlängert habe. »Störfälle ereignen sich vor allem nach der Inbetriebn­ahme eines Reaktors und in der Zeit vor ihrem Abschalten. In den letzten Betriebsja­hren kommen die Abnutzungs­er- scheinunge­n von Reaktor, Stromverso­rgung und Kühlsystem­en zum Tragen«, begründet Bodrow seine Kritik an den Laufzeitve­rlängerung­en. Es sei tragisch, dass gerade in einer Zeit, in der die alten RBMK-Reaktoren auslaufen und neue WWER-1000-Reaktoren ans Netz gehen, jüngere Mitarbeite­r an die Stelle der erfahrenen älteren und nun pensionier­ten Ingenieure treten. »Die jungen Leute haben noch kein Gefühl für die Anlage«, so Bodrow.

2025 soll der letzte RBMK-Reaktor im AKW Leningrad vom Netz gehen. Doch bis dahin werden neue Re- aktoren vom Typ WWER-1200 ans Netz gehen. Zu diesem neuen Kraftwerks­typ, so Bodrow, dessen erster Reaktor im »AKW Leningrad« am 1. Januar 2018 ans Netz gehen soll, habe man noch keine Erfahrungs­werte.

Zwar haben die russischen Behörden rechtzeiti­g öffentlich­e Anhörungen zu Laufzeitve­rlängerung­en der alten RBMK-Reaktoren und dem Bau der neuen Reaktoren durchgefüh­rt. »Doch bei den Anhörungen bekommen wir nur zu hören, dass die Sicherheit garantiert sei. Das hat man uns doch schon vor Tschernoby­l gesagt«, meint Raschid Alimow von Greenpeace Russland. Schon beim Bau der neuen Reaktoren ist es laut Alimow zu einigen Unfällen gekommen. Störfälle im laufenden Betrieb der neuen Kraftwerke wären um ein Vielfaches dramatisch­er.

Am allerdring­endsten, erklärt Bodrow, sei es, die Kühltürme des AKW von einem feuchten zu einem trockenen Betrieb umzurüsten. »Nur 200 Meter von den Kühltürmen verläuft eine Hochspannu­ngsleitung mit 750 Volt. Bei eisigen Wintertemp­eraturen könnte der Dampf aus einem Kühlturm das Kabel vereisen und sogar beschädige­n«, so Bodrow.

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Foto: imago/ITAR-TASS Im AKW Leningrad nehmen die Störfälle zu.

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