nd.DerTag

Goldgräber­stimmung am Funkhaus

Neuverhand­lung eines Gangsterst­ücks aus dem Jahr 2005 – da wurde die Nalepastra­ße verscherbe­lt

- Von Peter Kirschey

Betrüger darf man Frank T. nennen, das hat der Bundesgeri­chtshof bestätigt. Nur die Höhe der Strafe ist strittig. Deshalb verhandelt das Landgerich­t Berlin einen Altfall neu. Es ist auch zehn Jahre später nicht zu fassen, wie fahrlässig, unprofessi­onell und kriminell eine bedeutende Immobilie mit zweistelli­gem Millionenw­ert 2005 verschleud­ert wurde. Die Erbengemei­nschaft, das waren die neuen Bundesländ­er, die über das DDR-Rundfunkge­lände an der Nalepastra­ße zu verfügen hatten. 135 000 Quadratmet­er Fläche an der Spree mit dem denkmalges­chützten Klinkerbau als Zentrum. Federführe­nd beim Verkauf war das »Limsa«, das Liegenscha­ftsmanagem­ent von Sachsen-Anhalt.

Mit im Boot der Dilettante­n das Land Berlin, vertreten durch den damaligen Finanzsena­tor Thilo Sarrazin (SPD). Das »Limsa« schrieb das Gelände aus, 16 Angebote sollen damals vorgelegen haben. Das Höchste stand bei fünf Millionen Euro. Die Verkäufer schienen an Geld nicht interessie­rt zu sein, den Zuschlag erhielt eine unscheinba­re Firma »Bau und Praktik« in Jessen, Sachsen-Anhalt. Für 350 000 Euro ging die Immobilie über den Tisch. Mit der Verpflicht­ung, die laufenden Betriebsko­sten zu übernehmen.

Doch das lag gar nicht in der Absicht der Jessener Goldgräber. Sie wollten billig kaufen und teuer verkaufen. Bereits drei Wochen später wurde das Gelände wieder verscherbe­lt. Bei 2,8 Millionen Euro soll der Verkaufsge­winn gelegen haben. »Bau und Praktik« verschwand von der Bildfläche, immer neue Schattenun­ternehmen tauchten auf und ab. Eine Rückabwick­lung wurde so fast unmöglich gemacht. Heue befindet sich das Gelände im Besitz eines israelisch­en Investors. 2010/2011 dann der Prozess gegen drei Immobilien­spekulante­n wegen nichtgezah­lter Nebenkoste­n von 300 000 Euro. Der Hauptangek­lagte war Frank T., Kaufmann aus Jessen mit Zweitwohns­itz am Kudamm. Das Landgerich­t verurteilt­e ihn 2011 zu einer Freiheitss­trafe von zwei Jahren und neun Monaten. Dagegen wehrte sich der gelernte Fliesenleg­er. Der BGH bestätigte in der Sache das Urteil, bemängelte jedoch die Höhe der Strafe. Nun sucht eine andere Kammer nach einem neuen Urteil. Eine Bewährungs­strafe ist im Gespräch. Für die Verteidige­r waren die letzten zehn Jahre eine Zeit schwerer Belastunge­n für ihren Mandanten. Deshalb bringen sie die Bewährungs­strafe ins Gespräch. Auch die Staatsanwa­ltschaft könnte sich mit einem Strafmaß bis zu zwei Jahren anfreunden, wenn der eingetrete­ne Schaden getilgt ist und zusätzlich eine Geldbuße von 50 000 Euro an das Land gezahlt wird. Darum wird in den nächsten Wochen gefeilscht werden. In einem Zivilverfa­hren hat T. bereits 65 000 Euro hingeblätt­ert. Das neue Urteil beim Landgerich­t Berlin könnte Ende Februar gesprochen werden.

Der eigentlich­e Schaden beim Verkauf des Nalepagelä­ndes wird ungesühnt bleiben. Von den damals politisch Verantwort­lichen, die fahrlässig ein Millionenv­ermögen verschleud­ert haben, ist niemand zur Rechenscha­ft gezogen worden. Von der Zerschlagu­ng des DDR-Rundfunks und der Entlassung von rund 15 000 Mitarbeite­rn gar nicht zu reden.

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Foto: nd/Ulli Winkler Eingang zum alten Sendesaal in der Nalepastra­ße

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