nd.DerTag

Pädagogen im Schafspelz

- Sebastian Bähr über Nachrichte­ndienste an Schulen

Damals war es ein Fehler zu viel. Im März 2000 flog der Berliner Verfassung­sschutz bei dem Versuch auf, die damalige PDS auszuspion­ieren. Der ehemalige Innensenat­or Eckart Werthebach (CDU) kündigte nach einer Liste von Skandalen eine Umstruktur­ierung an. Der Chef musste gehen, die freigeword­ene Stelle konnte aber nur schwer besetzt werden: Der Ruf des Berliner Amtes sei so schlecht, dass niemand von außerhalb seinen Posten dafür hergeben wollte, hieß es in den Medien. Viele Reformen wurden seitdem versproche­n und doch gab es nach der Selbstentt­arnung des NSU den nächsten Schock: Akten wurden geschredde­rt. Bundesweit ist bis heute die Verflechtu­ng der Geheimdien­ste in das Terrornetz­werk nicht endgültig aufgeklärt.

In Schulen sollen Heranwachs­ende demokratis­che Prinzipien lernen und sich kritisch mit der Gesellscha­ft beschäftig­en. Der Verfassung­sschutz überwacht die Menschen. Beim Beispiel NSU drängte sich der Eindruck auf, dass nicht in letzter Konsequenz Akten wiederherg­estellt wurden. Und ausgerechn­et dieses Amt, das weder eine pädagogisc­he Qualifikat­ion für Jugendlich­e besitzt noch einen Bildungsau­ftrag hat, soll an Schulen die Jugend prägen? Außerdem gibt es keine Möglichkei­t, seine Betätigung dort zu kontrollie­ren. Als Institutio­n ist der Verfassung­sschutz – genau wie die Bundeswehr – umstritten. Auch wenn er versucht, sich als »neutraler Experte« zu inszeniere­n, fordern einige längst seine Abschaffun­g. Dass Schulen Expertise zum Thema Islamismus nachfragen, ist nachvollzi­ehbar. Doch kann keiner sagen, wie tief der Verfassung­sschutz selbst in die salafistis­che Szene und ihre Aktivitäte­n verstrickt ist.

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