Die Illusion vom roten Teppich
Das Hin und Her um die Zukunft des Volkstheaters Rostock soll enden – mal wieder
Das Volkstheater Rostock geleitet seine Besucher auf einem roten Teppich ins Foyer. Aufgemalt auf Beton. Diese Sparvariante ist symptomatisch – ein Bericht aus Mecklenburg-Vorpommern. »Trouble« steht dauerhaft auf dem Spielplan des Rostocker Volkstheaters. Täglich wird das Stück aufgeführt, jenseits des offiziellen Programms. Oft nicht auf offener Bühne. Die Kulissen und die handelnden Personen wechseln kaum.
Das Drama ist mit allzu vielen Laien besetzt, die ihre Rolle vor allem damit ausfüllen, den Intendanten des Volkstheaters von seiner eigentlichen Arbeit abzuhalten. Sewan Latchinian heißt der und ist durchaus bundesweit bekannt als einer, der sich nicht von der Obrigkeit soufflieren lassen will, was Theater soll und kann und darf. »Wenn sie uns doch nur lassen würden«, stöhnte Latchinian gegenüber dem Mann vom »nd« und meinte damit seine künstlerische Arbeit. »Schauen Sie sich um im Lande, da ist Kultur nie wertvoller gewesen als jetzt.« Bezahlbare Eintrittpreise für Interessierte waren dem Theater, das in der DDR international beachtete Maßstäbe setzte, schon immer wichtig.
Womöglich ist es genau dieses, dem Namen Volkstheater geschuldete und gelebte Selbstverständnis von Kunst und Kultur, das Kritiker aus der Obrigkeit, die es sonst nicht so genau nehmen mit dem effektiven Einsatz von Steuermitteln, zu Rechenfüchsen macht. Vordergründig geht es ihnen immer ums Geld in Rostock, wenn im politischen Raum das Thema Theater aufgerufen wird. Der rote Teppich fürs Publikum ist auch dabei eine Illusion.
In der Tat scheint es, dass das Theater mehr Schlagzeilen durch allerlei Schließungs- oder Zusammenlegungspläne macht als durch gelungene Aufführungen. So entstehe ein Zerrbild, meint der Intendant. Selbst treueste Theatergänger sind allmählich genervt – besonders nachdem nun auch noch zwei nicht sehr kompatibel erscheinende Sparkonzepte aus dem Theater selbst bekannt geworden sind. Latchinian will an Bewährtem und den vier Sparten seines Hauses festhalten. Geschäftsführer Steffen Rosinski setzt offenbar auf Oper, Operette und Musical und will das Schauspiel in die Freiheit entlassen.
Ausgliederungen, so kennt man es bundesweit, sind in der Regel der An- fang vom Ende. »Das Theater hat zwischen 2013 und 2015 fast 20 Prozent an zahlenden Besuchern verloren«, monierte Mecklenburg-Vorpommerns Kultusminister Mathias Brodkorb (SPD) jüngst in der »Ostsee-Zeitung«. Rosinski sei der Erste aus dem Theater, »der schonungslose Selbstkritik übt und deutlich sagt, dass das Haus reformiert werden muss«.
Dieses jahrelange Hin und Her auf der politischen Bühne hat dem Theater sehr geschadet, bestätigt Antje Jonas, die Chefin des Vereins der Freunde und Förderer des Volkstheaters. »Es fehlt dem Theater an allen Ecken an Geld. Gerade für die theaterpädagogische Arbeit. Doch was ist zukunftsgewandter, als Kinder und Jugendli- che für das Theater zu begeistern?« Daher hat der Verein anlässlich der Premiere von »Beluga schweigt« Ende der vergangenen Woche zwei gläserne Spendenboxen aufgestellt.
Und was macht die politische Laienspielgruppe in Mecklenburg-Vorpommern? Sie verspricht nun abermals ein Ende des Streits um die Zukunft des Volkstheaters. In dieser Woche soll die Bürgerschaft endlich eine Entscheidung zu den künftigen Strukturen treffen. Auf einer Sondersitzung. Die sei notwendig, so erklärt Sybille Bachmann, Fraktionschefin des Rostocker Bunds, weil dem Theater sonst 470 000 Euro an Fördermitteln entgehen könnten.
Kultusminister Brodkorb, der in Schwerin gerade viel Prügel von der Opposition wegen seiner grundsätzlich intransparenten Förderpolitik einstecken musste, begrüßt den raschen Vorstoß in der Bürgerschaft. Was wiederum skeptisch machen kann, denn falls der Minister ein Volkstheater-Freund ist, dann verbirgt er das sehr geschickt.
Ausgliederungen, so kennt man es bundesweit, sind in der Regel der Anfang vom Ende.