nd.DerTag

Die Illusion vom roten Teppich

Das Hin und Her um die Zukunft des Volkstheat­ers Rostock soll enden – mal wieder

- Von René Heilig, Rostock

Das Volkstheat­er Rostock geleitet seine Besucher auf einem roten Teppich ins Foyer. Aufgemalt auf Beton. Diese Sparvarian­te ist symptomati­sch – ein Bericht aus Mecklenbur­g-Vorpommern. »Trouble« steht dauerhaft auf dem Spielplan des Rostocker Volkstheat­ers. Täglich wird das Stück aufgeführt, jenseits des offizielle­n Programms. Oft nicht auf offener Bühne. Die Kulissen und die handelnden Personen wechseln kaum.

Das Drama ist mit allzu vielen Laien besetzt, die ihre Rolle vor allem damit ausfüllen, den Intendante­n des Volkstheat­ers von seiner eigentlich­en Arbeit abzuhalten. Sewan Latchinian heißt der und ist durchaus bundesweit bekannt als einer, der sich nicht von der Obrigkeit souffliere­n lassen will, was Theater soll und kann und darf. »Wenn sie uns doch nur lassen würden«, stöhnte Latchinian gegenüber dem Mann vom »nd« und meinte damit seine künstleris­che Arbeit. »Schauen Sie sich um im Lande, da ist Kultur nie wertvoller gewesen als jetzt.« Bezahlbare Eintrittpr­eise für Interessie­rte waren dem Theater, das in der DDR internatio­nal beachtete Maßstäbe setzte, schon immer wichtig.

Womöglich ist es genau dieses, dem Namen Volkstheat­er geschuldet­e und gelebte Selbstvers­tändnis von Kunst und Kultur, das Kritiker aus der Obrigkeit, die es sonst nicht so genau nehmen mit dem effektiven Einsatz von Steuermitt­eln, zu Rechenfüch­sen macht. Vordergrün­dig geht es ihnen immer ums Geld in Rostock, wenn im politische­n Raum das Thema Theater aufgerufen wird. Der rote Teppich fürs Publikum ist auch dabei eine Illusion.

In der Tat scheint es, dass das Theater mehr Schlagzeil­en durch allerlei Schließung­s- oder Zusammenle­gungspläne macht als durch gelungene Aufführung­en. So entstehe ein Zerrbild, meint der Intendant. Selbst treueste Theatergän­ger sind allmählich genervt – besonders nachdem nun auch noch zwei nicht sehr kompatibel erscheinen­de Sparkonzep­te aus dem Theater selbst bekannt geworden sind. Latchinian will an Bewährtem und den vier Sparten seines Hauses festhalten. Geschäftsf­ührer Steffen Rosinski setzt offenbar auf Oper, Operette und Musical und will das Schauspiel in die Freiheit entlassen.

Ausglieder­ungen, so kennt man es bundesweit, sind in der Regel der An- fang vom Ende. »Das Theater hat zwischen 2013 und 2015 fast 20 Prozent an zahlenden Besuchern verloren«, monierte Mecklenbur­g-Vorpommern­s Kultusmini­ster Mathias Brodkorb (SPD) jüngst in der »Ostsee-Zeitung«. Rosinski sei der Erste aus dem Theater, »der schonungsl­ose Selbstkrit­ik übt und deutlich sagt, dass das Haus reformiert werden muss«.

Dieses jahrelange Hin und Her auf der politische­n Bühne hat dem Theater sehr geschadet, bestätigt Antje Jonas, die Chefin des Vereins der Freunde und Förderer des Volkstheat­ers. »Es fehlt dem Theater an allen Ecken an Geld. Gerade für die theaterpäd­agogische Arbeit. Doch was ist zukunftsge­wandter, als Kinder und Jugendli- che für das Theater zu begeistern?« Daher hat der Verein anlässlich der Premiere von »Beluga schweigt« Ende der vergangene­n Woche zwei gläserne Spendenbox­en aufgestell­t.

Und was macht die politische Laienspiel­gruppe in Mecklenbur­g-Vorpommern? Sie verspricht nun abermals ein Ende des Streits um die Zukunft des Volkstheat­ers. In dieser Woche soll die Bürgerscha­ft endlich eine Entscheidu­ng zu den künftigen Strukturen treffen. Auf einer Sondersitz­ung. Die sei notwendig, so erklärt Sybille Bachmann, Fraktionsc­hefin des Rostocker Bunds, weil dem Theater sonst 470 000 Euro an Fördermitt­eln entgehen könnten.

Kultusmini­ster Brodkorb, der in Schwerin gerade viel Prügel von der Opposition wegen seiner grundsätzl­ich intranspar­enten Förderpoli­tik einstecken musste, begrüßt den raschen Vorstoß in der Bürgerscha­ft. Was wiederum skeptisch machen kann, denn falls der Minister ein Volkstheat­er-Freund ist, dann verbirgt er das sehr geschickt.

Ausglieder­ungen, so kennt man es bundesweit, sind in der Regel der Anfang vom Ende.

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Fotos: dpa/Bernd Wüstneck Bezahlbare Eintrittsp­reise: das Volkstheat­er in Rostock
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Protest gegen Pläne zur Spartensch­ließung vor dem Rostocker Rathaus

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