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Dicke Luft am Flensburge­r Luftschlos­s

Stadt will alternativ­es Wohnprojek­t räumen

- Von Dieter Hanisch, Flensburg

Ein alternativ­es Wohn- und Kulturproj­ekt in Flensburg namens Luftschlos­sfabrik (LSF) steht unmittelba­r vor dem Aus. Die Stadt in Schleswig-Holstein hat für das seit über zwei Jahren besetzte Gelände am Harniskai einen Räumungsti­tel erwirkt, den sie nun scheinbar so schnell wie möglich umsetzen möchte. Die Proteste dagegen erfahren inzwischen eine Solidaritä­t weit über die Stadtgrenz­en hinaus.

Ursprüngli­ch wollte die Firma Highspeed Ltd auf dem städtische­n Areal Luftboote bauen, doch das gesamte Vorhaben entpuppte sich als unternehme­rische Luftnummer. Die Industrief­läche lag fortan brach und verwahrlos­te zunehmend, von weiteren Nutzungsko­nzepten keine Spur. Nach und nach fanden dort Aussteiger und alternativ­e Aktivisten – durch die Pächterin Highspeed Ltd geduldet – ein Zuhause, es kehrte wieder Leben ein. Einige der »Besetzer« haben sich mit Hauptwohns­itz dort melderecht­lich registrier­en lassen, sie zahlten auch Gebühren für Strom und Wasser. Zudem wurde in Eigenregie viel renoviert und instand gesetzt. So entstanden beispielsw­eise neue Übungsräum­e für Bands, die danach händeringe­nd suchten.

Das Gelände nahe der Werft und eines Klärwerks ist baurechtli­ch Hafenentwi­cklungsgeb­iet und für eine Wohnbebauu­ng nicht geeignet. Die Stadt konnte für das eher unattrakti­ve Areal auch keinen Investor gewinnen. Die Eile, nun einen Räumungsti­tel zu erwirken, überrascht­e deshalb sehr. Eine letzte Frist bis zum 31. Januar ließen die Aktivisten verstreich­en.

Inzwischen aber haben die Bewohner selbst die LSF-Fläche geräumt, Hab und Gut zusammenge­tragen und Bauwagen entfernt. Der Schritt soll auch ein deeskalier­endes Zeichen sein: Das LSFProjekt hat einen Verein »Libertäres Kulturkoll­ektiv Luftschlos­sfabrik« gegründet und möchte mit der Stadt einen Zwischennu­tzungsvert­rag aushandeln. Doch seitens der Stadt wird offenbar weiterhin eine harte Linie beabsichti­gt.

»Wir sind für Verhandlun­gen und Lösungen bereit, wollen uns gemeinsam an einen Tisch setzen«, sagt LSF-Sprecherin Sarah Leichnitz. Damit findet sie auch Unterstütz­ung bei der LINKENFrak­tion im Flensburge­r Rathaus, die den nun verfolgten repressive­n Kurs von Oberbürger­meister Simon Faber (Südschlesw­igscher Wählerverb­and) ablehnt. Auf Antrag der GrünenFrak­tion im Rathaus wird am Dienstag das Thema noch einmal Gegenstand in einer Sitzung des städtische­n Hauptaussc­husses. Die Zusammenku­nft der Kommunalpo­litiker soll unter Ausschluss der Öffentlich­keit stattfinde­n. Auch dagegen wandte sich die LSF-Protestdem­onstration am Montag in der Flensburge­r Innenstadt.

Die Stimmung ist derweil explosiv, denn es sind an den LSFEingäng­en Barrikaden errichtet worden – nicht durch die bisherigen Bewohner, die verhandlun­gsbereit sind, aber durch angereiste Unterstütz­er. Zum Teil wurden Gräben ausgehoben und Sandhügel errichtet. Die bisherigen LSF-Bewohner und -Nutzer werben natürlich um Solidaritä­t, haben sich aber entschiede­n von jeglicher Gewalt distanzier­t. Sie setzen für den Fall, dass die Stadtspitz­e stur bleiben sollte, auch auf juristisch­en Beistand. Der beauftragt­e Hamburger Anwalt Hendrik Schulze hat die Verantwort­lichen darauf hingewiese­n, dass eine etwaige Räumung nach über zweijährig­er Duldung der Verhältnis­se durch die Stadt rechtswidr­ig sei.

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