nd.DerTag

Der EM-Titel als Beginn einer neuen Ära?

Viel spricht dafür, dass dieser deutschen Handballma­nnschaft die Zukunft gehört. Siege allein reichen aber nicht

- Von Erik Eggers, Krakow

Manch einer peilt nach dem EM-Erfolg schon die nächsten großen Ziele an. Aber: Ob der Handball jetzt tatsächlic­h einen Aufschwung erlebt, hängt nicht nur von sportliche­n Leistungen ab. »Nun ja«, sagt Torwart Andreas Wolff mit müden Augen am späten Montagvorm­ittag, »die letzte Nacht war doch recht getränkela­stig«. Die deutschen Handballer hatten es in Krakow ordentlich krachen lassen – nach diesem spektakulä­ren Auftritt im Finale um die 12. Europameis­terschaft gegen die favorisier­ten Spanier (24:17). »Jetzt wollen wir diesen Sieg auch richtig genießen«, hatte Bundestrai­ner Dagur Sigurdsson angekündig­t. Und sie begossen diesen Triumph, der ohne Beispiel in der Geschichte des modernen Hallenhand­balls ist. »Das ist für mich eine der größten Sensation überhaupt in der Sportgesch­ichte, das ist nur vergleichb­ar mit dem Sieg Griechenla­nds bei der Fußball-EM 2004«, sagte Uwe Schwenker, Präsident der Handball-Bundesliga.

Bevor der Mannschaft­sbus die frisch gebackenen deutschen Europameis­ter zum Flughafen von Krakow bringt, wird Wolff im Foyer des Mannschaft­shotels lange aufgehalte­n. Er posiert für Selfies und gibt Autogramme. Ein Nachrichte­nsender ist live drauf, man will wissen, wie es dem neuen »Hexer« im Tor geht, jeder Satz von Wolff ist jetzt extrem wichtig. »Es ist einfach nur ein geiles Gefühl«, sagt Wolff. »Es war ja mein erstes großes Finale. Aber ich hoffe, dass ich nach dem olympische­n Finale in Rio de Janeiro das gleiche Gefühl haben werde.« Der 24-jährige Keeper aus Wetzlar will unbedingt olympische­s Gold. Und Weltmeiste­r will er auch noch werden. Das hatte er noch in der riesigen Tauron Arena nach dem Finale erklärt.

Dass dieser Torwart, den vor dem Turnier fast niemand in Deutschlan­d kannte, so offensiv die nächsten großen Ziele anpeilt, ist aber eher die Ausnahme. Die meisten Profis schüttelte­n auch nach der Party von Krakow noch die Köpfe und schauten ziemlich ungläubig auf ihre eigene Leistung. Kein Wunder, waren doch Leute wie Kai Häfner aus Hannover oder der Gummersbac­her Julius Kühn ja absolute Nobodys des internatio­nalen Handballs, bevor sie Montag nach Wroclaw angereist waren, um die verletzten Kieler Rückraumst­ars Christian Dissinger und Kapitän Steffen Weinhold zu ersetzen.

»Fünf Länderspie­le, Europameis­ter, das klingt ziemlich gut«, strahlte das Greenhorn Kühn nach dem Finale. Noch erstaunlic­her ist die Figur des Senkrechts­tarters Kai Häfner: Der Linkshände­r zählte beim Sensations­sieg gegen Dänemark (25:23) schon zu den besten Spielern, setzte im Halbfinale gegen Norwegen in den Schlusssek­unden der Verlängeru­ng dann den entscheide­nden Treffer. Und im Endspiel gegen Spanien ließ er Arpad Sterbik, der seit Jahren zu den besten Torleuten des Welthandba­lls zählt, wie einen Anfänger aussehen und erzielte insgesamt sieben Tore. »Ich weiß selbst nicht, was ich davon halten soll«, stammelte Häfner. »Vor einer Woche saß ich noch auf dem Sofa und habe im Fernsehen zugeguckt. Jetzt bin ich Europameis­ter. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.«

Das Team von Dagur Sigurdsson hat sich dann am Nachmittag, nachdem der Sonderflug AB 9601 in Berlin-Tegel gelandet war, weiter feiern lassen, von Tausenden Fans in der Max-Schmeling-Halle und live in der ARD. Was die Frage provoziert, ob dieses sportliche Highlight irgendwas zu ändern vermag an dem Mauerblümc­hendasein, welches der Handball im Grunde seit Jahren in der Öffentlich­keit fristet? Ob die Sensations­quote von mehr als 17 Millionen Zuschauern, die am frühen Sonntag- abend in der ARD zuschauten, dieser Sportart einen Boom beschert wie damals nach dem Titelgewin­n bei der Weltmeiste­rschaft 2007?

»Das ist ein großer Sieg, ein Fest für den deutschen Handball, aber wir tun gut daran, ein bisschen Demut an den Tag zu legen«, sagte Ligapräsid­ent Schwenker am Montag in Krakow. Zwar sei die sportliche Basis ausgezeich­net, so der Spitzenfun­ktionär. »Diese Mannschaft ist so jung, dass sie noch jahrelang in dieser Formation zusammensp­ielen kann, es kann eine neue Ära beginnen.« Aber, so Schwenker, das bedeute keineswegs eine Garantie auf olympische­s Gold. »Ein etwas schlechter­er Tag im Viertelfin­ale in Rio, und dann kann dieser Traum geplatzt sein«, weiß Schwenker.

In die pure Freude über das sportliche Handballmä­rchen mischt sich auch deshalb Skepsis, weil schon die nächste Weltmeiste­rschaft 2017 in Frankreich nicht von den Öffentlich­Rechtliche­n übertragen werden wird – es gibt weiter große Konflikte zwischen dem katarische­n Rechteinha­ber BeInSports sowie ARD und ZDF. DHBVizeprä­sident Bob Hanning sieht die beiden Sender zwar »in der Pflicht«, für eine Übertragun­g zu sorgen, aber die gleiche Forderung stellte der DHB auch schon vor der WM 2015, deren Übertragun­g in Deutschlan­d erst in letzter Minute durch den Pay-TV-Sender Sky gewährleis­tet wurde. Ob die Sportart Handball in Zukunft eine ähnlich hohe Aufmerksam­keit erzeugen kann, wird jedenfalls nicht allein von Paraden des neuen Supertorwa­rts Andreas Wolff abhängen.

verloren am Sonntagabe­nd beim 105. Berliner Sechstager­ennen die Führung. Vorn liegen die Niederländ­er Yoeri Havik und Nick Stöpler mit 176 Punkten, das Berliner Duo hat 174.

Russlands Anti-Doping-Agentur RUSADA unterschri­eb sechs Monate vor Beginn der Olympische­n Spiele in Rio einen Kooperatio­nsvertrag mit der britischen Anti-Doping-Behörde UKAD. »Gemäß einer Vereinbaru­ng mit der WeltAnti-Doping-Agentur WADA werden RUSADA und UKAD für die Planung der Tests russischer Athleten verantwort­lich sein«, sagte Natalia Schelanowa, Assistenti­n des russischen Sportminis­ters Witali Mutko, am Montag. Sie wies zudem darauf hin, dass die Kooperatio­n nur vorübergeh­end und so lange in Kraft sei, bis die Suspendier­ung der RUSADA durch die WADA aufgehoben werde. Konstantin Schad gewann bei den X-Games in den USA die Bronzemeda­ille im Snowboardc­ross. Dem Oberbayern gelang zum zweiten Mal nach 2014 ein Podiumspla­tz beim wichtigste­n Wettkampf des Winters, in dem weder eine WM noch Olympische Spiele anstehen. Der 28-Jährige musste sich am Sonntagabe­nd in Aspen nur den Australier­n Jarry Hughes und Alex Pullin geschlagen geben. Eine Gefängniss­trafe brachte einem Polizisten aus Dubai dessen Begeisteru­ng für den Weltfußbal­ler Lionel Messi ein. Weil sich der Flughafenb­eamte im Dezember bei der Einreise des Argentinie­rs ein Selfie mit Messis aufgeschla­genem Reisepass gepostet hatte, wurde der Fußballfan lokalen Medien zufolge am Montag zu einem Monat Haft verurteilt. Der Polizist bekannte sich in der Verhandlun­g der Verletzung von Messis Privatsphä­re schuldig.

Roger Kluge und Marcel Kalz

 ?? Foto: dpa/Jens Wolf ?? Der Vater des Erfolgs: Bundestrai­ner Dagur Sigurdsson, umringt von Mannschaft und Betreuern, feiert in Tauron Arena in Krakow den Europameis­tertitel mit der Schale.
Foto: dpa/Jens Wolf Der Vater des Erfolgs: Bundestrai­ner Dagur Sigurdsson, umringt von Mannschaft und Betreuern, feiert in Tauron Arena in Krakow den Europameis­tertitel mit der Schale.
 ?? Foto: imago/Heuberger ?? Andreas Wolff (l.) ließ auch die Spanier um Valero Rivera verzweifel­n.
Foto: imago/Heuberger Andreas Wolff (l.) ließ auch die Spanier um Valero Rivera verzweifel­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany