Suche nach der Wahrheit an der Alten Försterei
Der fragwürdige Polizeieinsatz mit 80 Verletzten beim Freundschaftsspiel zwischen dem 1. FC Union und Austria Salzburg beschäftigt jetzt auch die Berliner Politik
Für die Polizei standen die Schuldigen schnell fest. Aber Videos der Stadionüberwachungsanlage sollen die Fans des 1. FC Union entlasten. Das Freundschaftsspiel zwischen dem 1. FC Union Berlin und Austria Salzburg geht in die Nachspielzeit. Nachdem am Sonnabend bei einem Polizeieinsatz am und im Stadion An der Alten Försterei 80 Personen verletzt wurden, gibt es Klärungsbedarf – sogar in der Politik. »Die Fraktion DIE LINKE im Berliner Abgeordnetenhaus wird in der kommenden Sitzung des Innenausschusses hierzu nachfragen«, sagte der Landesvorsitzende der Partei, Klaus Lederer, am Montag. Die Aufgabe bis zum 15. Februar, der nächsten Sitzung des Innenausschusses, formulierte er wie folgt: »Wir fordern zudem, dass die Widersprüche, die zwischen der Darstellung der Ereignisse durch die Polizei und durch den den 1. FC Union sowie vieler Fanvereinigungen bestehen, rasch aufgeklärt werden.«
Widersprochen hatte der Zweitligist aus Köpenick schon am Sonntag der Polizei. »Erst eine für ein Benefizspiel außergewöhnlich hohe Polizeipräsenz und ein angesichts der Situation rund um das Stadion unerklärlich intensiver Polizeieinsatz haben die Lage eskalieren lassen«, schrieb er in einer Pressemitteilung.
Aus Sicht der Polizei ist die Schuldfrage geklärt: »Beim Erreichen des Stadions gegen 16 Uhr wurden Polizisten dann aus einer Gruppe von rund 250 Anhängern der Heimmannschaft massiv körperlich angegriffen. Die Beamten wehrten die Angriffe mittels körperlicher Gewalt ab und setzten auch Reizgas ein.« Neben 18 Festnahmen vermeldete die Polizei 80 verletzte Personen, darunter 21 Polizisten, ein Ordner, 26 Personen, die der aggressiven Gruppe von Fans zuzuordnen sind, und rund 40 andere Stadionbesucher.
Allein, dass 40 Unbeteiligte verletzt wurden, wirft Fragen nach der Verhältnismäßigkeit des Einsatzes auf. Aber der Reihe nach: Der 1. FC Union richtete zum Abschluss seiner Feierlichkeiten zum 50. Vereinsgeburtstag eine Benefizspiel für Austria Salzburg aus. Der österreichische Zweitligist wurde 2005 von Fans gegründet, da der Getränkekonzern Red Bull den Vorgängerverein übernommen hatte. Weil Austria finanzielle Probleme hat, spendete der Berliner Zweitligist alle Einnahmen des Freundschaftsspiels den Österreichern.
Schon weit vor dem Anpfiff trauten die Fans ihren Augen nicht. Zum Marsch von der Köpenicker Altstadt zum Stadion begrüßte sie eine Anzahl von Beamten, wie sie sonst nur zu Punktspielen üblich ist. Insgesamt waren 300 Beamte im Einsatz, viele davon in Kampfmontur. Warum? Darauf konnte die Polizei am Montag auf nd-Nachfrage noch keine Antwort geben. Informiert wurde der Verein über diesen Einsatzplan jedenfalls nicht – obwohl es im Vorfeld gemeinsame Absprachen über den Ablauf gab.
Abgesprochen war auch, dass die Fans nach dem Marsch durch den großen Eingang von der Straße An der Wuhlheide in das Stadion gehen. Als sie aber dort ankamen, wurde ihnen der Weg plötzlich durch eine Polizeisperre verstellt. Warum? »Dafür gibt es immer noch keine Erklärung«, sagt Lars Schnell. Er hat als Fanbetreuer des 1. FC Union Berlin den ganzen Marsch begleitet und dann auch die Vorfälle am Stadion erlebt – bis zu dem Zeitpunkt, als er durch Pfefferspray von der Polizei außer Gefecht gesetzt wurde. Und Schnell hat sich danach alles noch mal auf Videos angeschaut. Nach persönlichem Erleben und der Auswertung der Aufzeichnungen der Stadionüberwachungsanlage lautet sein Fazit: »Die Polizei hat eine Wahrnehmungsstörung.«
»Die Bilder der Überwachungsanlage widersprechen komplett der Darstellung der Polizei«, konkretisiert Lars Schnell. Weil die Beamten den vereinbarten Eingang versperrt hatten, war es zum Stau gekommen. Der Druck von hinten wurde irgendwann so groß, dass ein Fan ins Schwanken gekommen und auf einen Polizisten gefallen sei. Danach hätten die Beamten sofort zu Knüppeln und Pfefferspray gegriffen. »Die Eskalation ging von der Polizei aus«, sagt Schnell.