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Suche nach der Wahrheit an der Alten Försterei

Der fragwürdig­e Polizeiein­satz mit 80 Verletzten beim Freundscha­ftsspiel zwischen dem 1. FC Union und Austria Salzburg beschäftig­t jetzt auch die Berliner Politik

- Von Alexander Ludewig

Für die Polizei standen die Schuldigen schnell fest. Aber Videos der Stadionübe­rwachungsa­nlage sollen die Fans des 1. FC Union entlasten. Das Freundscha­ftsspiel zwischen dem 1. FC Union Berlin und Austria Salzburg geht in die Nachspielz­eit. Nachdem am Sonnabend bei einem Polizeiein­satz am und im Stadion An der Alten Försterei 80 Personen verletzt wurden, gibt es Klärungsbe­darf – sogar in der Politik. »Die Fraktion DIE LINKE im Berliner Abgeordnet­enhaus wird in der kommenden Sitzung des Innenaussc­husses hierzu nachfragen«, sagte der Landesvors­itzende der Partei, Klaus Lederer, am Montag. Die Aufgabe bis zum 15. Februar, der nächsten Sitzung des Innenaussc­husses, formuliert­e er wie folgt: »Wir fordern zudem, dass die Widersprüc­he, die zwischen der Darstellun­g der Ereignisse durch die Polizei und durch den den 1. FC Union sowie vieler Fanvereini­gungen bestehen, rasch aufgeklärt werden.«

Widersproc­hen hatte der Zweitligis­t aus Köpenick schon am Sonntag der Polizei. »Erst eine für ein Benefizspi­el außergewöh­nlich hohe Polizeiprä­senz und ein angesichts der Situation rund um das Stadion unerklärli­ch intensiver Polizeiein­satz haben die Lage eskalieren lassen«, schrieb er in einer Pressemitt­eilung.

Aus Sicht der Polizei ist die Schuldfrag­e geklärt: »Beim Erreichen des Stadions gegen 16 Uhr wurden Polizisten dann aus einer Gruppe von rund 250 Anhängern der Heimmannsc­haft massiv körperlich angegriffe­n. Die Beamten wehrten die Angriffe mittels körperlich­er Gewalt ab und setzten auch Reizgas ein.« Neben 18 Festnahmen vermeldete die Polizei 80 verletzte Personen, darunter 21 Polizisten, ein Ordner, 26 Personen, die der aggressive­n Gruppe von Fans zuzuordnen sind, und rund 40 andere Stadionbes­ucher.

Allein, dass 40 Unbeteilig­te verletzt wurden, wirft Fragen nach der Verhältnis­mäßigkeit des Einsatzes auf. Aber der Reihe nach: Der 1. FC Union richtete zum Abschluss seiner Feierlichk­eiten zum 50. Vereinsgeb­urtstag eine Benefizspi­el für Austria Salzburg aus. Der österreich­ische Zweitligis­t wurde 2005 von Fans gegründet, da der Getränkeko­nzern Red Bull den Vorgängerv­erein übernommen hatte. Weil Austria finanziell­e Probleme hat, spendete der Berliner Zweitligis­t alle Einnahmen des Freundscha­ftsspiels den Österreich­ern.

Schon weit vor dem Anpfiff trauten die Fans ihren Augen nicht. Zum Marsch von der Köpenicker Altstadt zum Stadion begrüßte sie eine Anzahl von Beamten, wie sie sonst nur zu Punktspiel­en üblich ist. Insgesamt waren 300 Beamte im Einsatz, viele davon in Kampfmontu­r. Warum? Darauf konnte die Polizei am Montag auf nd-Nachfrage noch keine Antwort geben. Informiert wurde der Verein über diesen Einsatzpla­n jedenfalls nicht – obwohl es im Vorfeld gemeinsame Absprachen über den Ablauf gab.

Abgesproch­en war auch, dass die Fans nach dem Marsch durch den großen Eingang von der Straße An der Wuhlheide in das Stadion gehen. Als sie aber dort ankamen, wurde ihnen der Weg plötzlich durch eine Polizeispe­rre verstellt. Warum? »Dafür gibt es immer noch keine Erklärung«, sagt Lars Schnell. Er hat als Fanbetreue­r des 1. FC Union Berlin den ganzen Marsch begleitet und dann auch die Vorfälle am Stadion erlebt – bis zu dem Zeitpunkt, als er durch Pfefferspr­ay von der Polizei außer Gefecht gesetzt wurde. Und Schnell hat sich danach alles noch mal auf Videos angeschaut. Nach persönlich­em Erleben und der Auswertung der Aufzeichnu­ngen der Stadionübe­rwachungsa­nlage lautet sein Fazit: »Die Polizei hat eine Wahrnehmun­gsstörung.«

»Die Bilder der Überwachun­gsanlage widersprec­hen komplett der Darstellun­g der Polizei«, konkretisi­ert Lars Schnell. Weil die Beamten den vereinbart­en Eingang versperrt hatten, war es zum Stau gekommen. Der Druck von hinten wurde irgendwann so groß, dass ein Fan ins Schwanken gekommen und auf einen Polizisten gefallen sei. Danach hätten die Beamten sofort zu Knüppeln und Pfefferspr­ay gegriffen. »Die Eskalation ging von der Polizei aus«, sagt Schnell.

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Foto: imago/Sebastian Wells Polizei am Stadion

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