nd.DerTag

Brennglas des Populismus

Die Flüchtling­srhetorik der CSU – ein Fallbeispi­el

- Von Velten Schäfer

Es ist nicht Aufgabe eines Innenpolit­ikers, sich mit deutscher Kulturgesc­hichte auszukenne­n. Auch nicht, wenn er sich für patriotisc­h hält, wie sicherlich Hans-Peter Uhl von der CSU. Dennoch schreit dessen jüngste, im Phoenix-Talk »Unter den Linden« verbreitet­e Expertise zur »deutschen Romantik« nach einer Fußnote: Nicht etwa das Einlassen der Welt und das Übernehmen von Verantwort­ung für deren Elend ist eine im historisch­en Sinn »romantisch­e« Haltung, sondern das Gegenteil: Wegschauen und Wegducken gegenüber den Weltläufen, eine selbstgenü­gsame und unpolitisc­he Wendung nach innen.

Oder was meinte Uhl sonst mit dem auf die Flüchtling­spolitik von Angela Merkel (CDU) gemünzten Satz, dass »immer dann, wenn die deutsche Romantik die Politik bestimmt«, dies »für Deutschlan­d und Europa zum Problem« werde? Die historisch­e Analogie, die man hier anklingen hören mag, wäre so abgrundtie­f, dass man sie nicht einmal dem Burschensc­hafter Uhl zutrauen mag.

Sein Auftritt ist beachtensw­ert, weil er die Grundlinie­n eben jener rechtspopu­listischen Rhetorik, der er entgegenzu­wirken vorgibt, wie in einem Brennglas konzentrie­rt: »Die Zuwanderun­g ist für die deutsche Volkswirts­chaft in den nächsten Jahren ein milliarden­schweres Draufzahlg­eschäft«, poltert Uhl. Und verwechsel­t, mit Absicht oder nicht, Volkswirts­chaft mit Staatshaus­halt. Tatsächlic­h fließen die Ausgaben in die Wirtschaft, die Unterkünft­e und Lebensmitt­el verkauft. Es ist eine Finanzspri­tze. Wer hat auch nur einen Wirtschaft­svertreter darüber jammern hören?

Wo sich der Staat das Geld zurückholt, steht auf einem anderen Blatt – eins, das Uhl wohlweisli­ch nicht anfasst. Die Wirtschaft jedenfalls hat Angst vor den »Binnengren­zkontrolle­n«, die Uhl fordert. Und nicht vor staatliche­n Mehrausgab­en.

Wo die CSU klagt, man wisse nicht, wer da komme, ist Uhl genau im Bilde: Wenige mit »echten Asylgründe­n« und viele »illegale Migranten«. Deswegen sei »Umdenken« nötig. Tatsächlic­h steckt ein großer und steigender Teil der Flüchtling­e etwa aus Syrien gerade nicht in »echten« Asylverfah­ren mit Aussicht auf »echtes« Bleiberech­t, sondern erhält befristete, an den Krieg gebundene Aufenthalt­serlaubnis­se.

Das Signal dieses Auftritts des Justiziars der Bundestags-Unionsfrak­tion fasst die PhoenixPre­ssestelle sehr treffend zusammen: Auch nach dem Asylpaket II geht die CSU »auf Distanz zu Bundeskanz­lerin Angela Merkel«. Die inhaltlich­e Nachricht wäre freilich gewesen: »Münchner Hardliner redet gefährlich­en Unsinn, Moderation lässt ihn gewähren«.

Immerhin kann Uhl nun, wie dutzendfac­h zuvor, nicht mehr klagen, man dürfe das nicht mehr sagen. Sollte man zumindest meinen. Bis zum nächsten Mal!

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