nd.DerTag

Kinderbetr­euung ist Bildungsar­beit

- Christian Baron über die sozialen Folgen des ungleichen Kita-Zugangs

Immer, wenn neue Quoten zur Betreuung in Kindertage­sstätten erscheinen, juckt es in den Fingern, diesen Satz zu schreiben: Die spinnen, die Wessis! Bei den unter Dreijährig­en, so die aktuellste­n Zahlen, gehen mehr als die Hälfte aller Kinder aus den neuen Bundesländ­ern in die Kita, in den alten Ländern sind es nur 28 Prozent. Haben die im Westen etwa noch immer nicht verstanden, dass außerfamil­iäre Betreuung gerade für Kinder aus Arbeiterha­ushalten elementare Bildungsar­beit ist?

Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Während in der DDR die Erwerbstät­igkeit von Frauen ausdrückli­ch erwünscht war, sollte sich in der BRD die Frau möglichst nicht von Herd und Wiege entfernen. Heute ist das anders: Frauen sollen ihre Haut zu Markte tragen und eine angepasste Bruttoinla­ndsbrut heranziehe­n. Wer nicht beides zugleich leisten kann, bleibt zurück. Da nun familienpo­litische Wohltaten nur Besserverd­ienenden zugutekomm­en, müssen Kinder benachteil­igter Eltern häufig zu Hause bleiben.

Das festigt die systemimma­nente Bildungsun­gerechtigk­eit, weil betroffene Kinder in der wohl wichtigste­n Phase ihrer kognitiven Entwicklun­g wichtige soziale Umwelteinf­lüsse verpassen. Daran wird sich nichts ändern, solange die Gebührenfr­eiheit für Kindertage­seinrichtu­ngen und eine radikale Entkoppelu­ng von Arbeit und Einkommen auf sich warten lassen.

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