nd.DerTag

Ungarische­r Notstand

- Klaus Joachim Herrmann über Orbans Griff nach der ganzen Macht

Es verdiente eine gründliche Analyse, was unter Hinweis auf Terrorismu­sgefahr alles schon brachial durchgeset­zt wurde, doch ohnehin kommen sollte – vielleicht nur etwas später, in geringerem Ausmaß und politisch mühseliger. Das Notstandsr­echt, das sich die ungarische rechtskons­ervative Regierung Viktor Orbans nun offenbar in die Verfassung schreiben will, dürfte dazu gehören. Was wäre verlockend­er für manche Herrscher dieses Zuschnitts als die Ausschaltu­ng des Parlaments, der Medien und des Widerstand­es des eigenen Volkes. Die Mittel dazu sollen die Aufhebung von Presse- und Versammlun­gsfreiheit sowie ein Streikverb­ot und die Ausgangssp­erre sein. Grenzschli­eßungen und die Abschaltun­g von Telefon und Internet passten in ein klassische­s Schema für Staatsstre­iche.

Danach sieht es sogar aus. Schließlic­h will die Exekutive die Legislativ­e, also der Premier die ganze Macht und wenigstens 60 Tage das Parlament ausschalte­n. Der Wunsch solcher Umverteilu­ng der Gewalten zu eigenem Nutz und Frommen ist so selten nicht. Denn gerade demokratis­che Meinungsbi­ldung und Mitsprache sieht nicht nur dieser starke Mann als unnützen Aufwand, weil er sich in seiner Herrlichke­it selbst genügt. Doch noch fehlen Stimmen an der Zweidritte­lmehrheit. Das mag für Orban ein persönlich­er Notstand sein, ein ungarische­r ist es nicht.

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