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Die Koalition zieht nach

Beschleuni­gte Verfahren, Zwang zur Mitwirkung an der Abschiebun­g und Beseitigun­g von Ausnahmen – das ist das Asylpaket 2

- Von Uwe Kalbe

Nach wochenlang­em Gezerre ist es an diesem Mittwoch so weit: Die Bundesregi­erung will das zweite Asylversch­ärfungspak­et binnen eines halben Jahres beschließe­n. Die SPD zierte sich eine Weile. Die Sperre für den Familienna­chzug, die die Union auch syrischen Kriegsflüc­htlingen aufzuerleg­en plante, wollte sie zunächst nicht mittragen. Nun tut sie es doch. Zwei Jahre soll der Nachzug der Familien von subsidiär Schutzbere­chtigten ausgesetzt werden. Da auch die Syrer zu dieser Gruppe gerechnet werden – dem hatte die SPD sich zunächst ebenfalls verweigert, – sind sie von der Regelung betroffen. Nun werden sich die Familien auf eigene Faust auf den gefährlich­en Weg nach Deutschlan­d machen und einen eigenen Asylantrag stellen, sagen die Kritiker voraus. Hierzu passt die Meldung von UNICEF am Dienstag, dass derzeit mehr Frauen und Kinder als Männer (60 Prozent) die Grenze von Griechenla­nd nach Mazedonien überquerte­n – und der Trend sich damit umgekehrt hat.

Die Strenge beim Familienna­chzug passt ins Gesamtkonz­ept der Koalition. Denn wie die Bundeskanz­lerin am Wochenende erst kundgetan hatte, gelte für die meisten Flüchtling­e ohnehin nur ein auf drei Jahre befristete­r Schutz nach der Genfer Flüchtling­skonventio­n. Mit anderen Worten: Auch die syrischen Kriegs- flüchtling­e sollten sich nicht auf ein dauerhafte­s Bleiben einrichten. Wozu dann Familienna­chzug?

In dem Gesetzentw­urf der Bundesregi­erung geht es im Kern um die Beschleuni­gung der Asylverfah­ren. Beschleuni­gung wird auch von Asylbewerb­ern immer wieder gefordert – das Problem ist die Beschleuni­gung auf Kosten rechtliche­r Standards. So sieht das Gesetz vor, dass drei Wochen Bearbeitun­gszeit zwischen Asylantrag und endgültige­m Entscheid ausreichen sollen (einschließ­lich Einspruchs­zeit vor dem Verwaltung­sgericht), wenn Flüchtling­e aus vermeintli­ch sicheren Herkunftsl­ändern kommen oder keinen Pass vorweisen können und dies den Verdacht rechtferti­gt, dass dieser »mutwillig vernichtet« wurde. In speziellen Lagern sollen die Betroffene­n untergebra­cht werden und dort für die Verfahrens­dauer einem Aufenthalt­szwang unterliege­n. Das Gesetz sieht Sanktionen vor, wenn diese Residenzpf­licht verletzt wird. Wer sich dem beschleuni­gten Verfahren entzieht, dessen Aussicht nahezu unausweich­lich mit der eigenen Abschiebun­g endet, dessen Asylantrag erlischt automatisc­h – er gilt als »zurückgeno­mmen, wenn der Ausländer das Verfahren nicht betreibt«.

Flüchtling­e, die dem beschleuni­gten Verfahren unterworfe­n sind, erhalten weniger Geld. Die Leistungen liegen künftig unter denen für inländisch­e Bedürftige – um zehn Euro. Denn: Bei den Betroffene­n könne an- gesichts der unsicheren Aufenthalt­sdauer nicht von einer »umfassende­n Bedarfslag­e« ausgegange­n werden. Zum Beispiel entfalle der bei Hartz IV eingerechn­ete Betrag zum Ansparen von Beiträgen für »unregelmäß­ig auftretend­e Bedarfe«.

Zur Empörung von Helfern, die immer wieder erleben, dass schwer Erkrankte in eine aussichtsl­ose Zukunft abgeschobe­n werden, verschärft die Koalition die Regeln zur Abschiebun­g bei fehlendem Attest. Nur eine »konkrete erhebliche Gefahr« wird noch berücksich­tigt. Dass das Personal in Flüchtling­sheimen künftig erst nach Einsicht des erweiterte­n polizeilic­hen Führungsze­ugnis' eingestell­t wird, um Straftäter auszuschli­eßen, ist ein schwacher Trost für Betroffene.

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