Erste Runde, große und linke Botschaft
Natürlich: Die erste Runde der Vorwahlen in Iowa hat für den tatsächlichen Ausgang des Präsidentschaftsrennens in den USA allenfalls symbolische Wirkung. Doch gerade hierin, im Signal des Bernie Sanders, liegt ein entscheidendes Momentum – eines für die gesellschaftliche Linke: Mit demokratischer Klassenpolitik und einer auf Umverteilung setzenden Strategie lässt sich nach Jahrzehnten politisch-medial abgesicherter angeblicher Alternativlosigkeit große Zustimmung gewinnen. Vor allem unter denen, die sich von Politik abwenden, weil sie ihnen kein Versprechen macht: Jüngeren, Menschen mit geringeren Einkommen, Leuten, die wissen, dass es nicht »normal« ist, dass ein paar Wenige mehr haben als die Vielen.
Dass es auch hierzulande in Medien für wichtig gehalten wird, Sanders’ politische Selbstverortung in die Formel vom »selbst ernannten demokratischen Sozialisten« zu bringen, spiegelt das Missverhältnis von veröffentlichter Meinung und gesellschaftlichem Denken. Bisweilen wurde
Sanders ist, in gutem und richtigem Sinne, nicht mehr, auch nicht weniger als: ein Sozialdemokrat.
sogar auf den ausgelatschten Spuren totalitarismustheoretischen Denkens versucht, den demokratischen Linken Sanders und die Rechtsaußen-Konkurrenten bei den Republikanern als irgendwie ähnliche, jedenfalls bedrohliche »Extreme« darzustellen.
Dabei ist Sanders, in einem guten und richtigen Sinne, nicht mehr aber auch nicht weniger als: ein Sozialdemokrat. Seit der Begriff vor allem für Organisationen und eine Politik steht, die grundlegende Ziele wie Umverteilung von oben nach unten, wirksame Bekämpfung sozialer Ungleichheit, Stärkung des Öffentlichen zu Lasten privater Eigentumsverfügung und so fort allenfalls im Schaufenster, aber nicht mehr im Angebot haben, ist es nicht mehr so einfach, sozialdemokratischer Politik Positives abzuringen.
Richtig ist aber auch, was der Philosoph Slavoj Žižek einmal mit Blick auf dieses Problem, also den »unbesetzten Ort der Sozialdemokratie«, angemerkt hat: »Es ist ein trauriges Zeichen unserer Zeit, dass man heutzutage der radikalen Linken angehören muss, um dieselben Mittel zu befürworten.« Er sprach von einem »Zeichen finsterer Zeiten«, sah aber »auch eine Chance für die Linke, den Raum zu besetzen, der vor einigen Jahrzehnten noch der der moderaten linken Mitte war«.
Das tut Sanders in den USA. Ob es unter dem Strich für eine Präsidentschaftskandidatur oder sogar mehr reicht, ist das eine. Das andere ist: Mit einem Wahlkampf, der klare Antworten auf die soziale Frage im Angebot hat und sich nicht scheut, konkurrierende Interessenlagen zum Ausgangspunkt von politischen Überlegungen zu machen, lässt sich offenbar mehr erreichen als bloß die Rolle einer Nebenfigur.
Wenn Sanders sagt, »was Iowa heute begonnen hat, ist eine politische Revolution«, ist das nur ein bisschen übertrieben: Es geht um gesellschaftliche Stimmung, um gesellschaftliche Mehrheiten für eine andere Politik. Die zu ändern ist nach Jahrzehnten des neoliberalen Betons tatsächlich radikal. Wenn sich das irgendwann in parlamentarischen Mehrheiten oder politischen Ämtern niederschlägt – umso besser.