Mit Comics auf Mitarbeiterfang
Persönliche Assistenten von Menschen mit Behinderungen protestieren für mehr Lohn
Pflegedienste, Krankenkassen und Senat verhandeln um Lohnerhöhungen für Persönliche Behinderten-Assistenten. Denen reicht das nicht. Stellenanzeigen in Comicform, das wäre mal etwas Neues. Der Betriebsrat des Vereins »ambulante Dienste« macht sich Gedanken über Anreize, um den Personalmangel in der Persönlichen Assistenz für behinderte Menschen zu beenden. Ein noch provokanterer Vorschlag: »Lasst uns doch mal über den Hermannplatz laufen und Leute ansprechen.«
Ernst gemeint sind diese Vorschläge nicht. Sie sind Teil einer simulierten und überspitzen Betriebsratssitzung vor der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales in Kreuzberg. Persönliche Assistenten von Menschen mit Behinderung machten damit am Dienstagmittag im Rahmen einer Protestkundgebung auf ihre prekäre finanzielle Lage aufmerksam. Das Einstiegsgehalt lag noch bis vor kurzem unter dem Pflegemindestlohn und wurde gerade erst um ein paar Cent angehoben.
»Für das bisschen Geld finden die freien Träger keine neuen Leute«, erzählt Carsten Does, Mitglied des Be- triebsrates von »ambulante Dienste«, dem »nd«. Während im vergangenen Jahr durchschnittlich elf Menschen pro Monat neu eingestellt worden seien, seien es im Januar lediglich fünf gewesen. Mitarbeiter werden aber händeringend gesucht.
Die Anbieter von ambulanten Pflegediensten unterstützen die Forderungen der Mitarbeiter. Seit Ende 2015 verhandeln sie mit der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales und den Krankenkassen über neue Tarife für die Assistenten im Rahmen des sogenannten Leistungskomplexes 32, einer Ergänzung zum Sozialgesetzbuch XI. Die letzte Erhöhung hatten sie 2011 erwirkt, der damals abgeschlossene Vergütungs- tarif wurde an den Tarifvertrag des Landes Berlin von 2010 angelehnt.
In den aktuellen Verhandlungen steht die Anpassung an den Tarifvertrag von 2015 an. Hier unterscheiden sich die Forderungen der freien Träger von den Beschäftigten. Letztere wollen direkt eine Anpassung an den Landestarifvertrag von 2016, letztlich vier Prozent mehr Lohn als die Träger fordern.
Mit Trillerpfeifen, Klatschen und Rufen unterstreichen rund 50 Demonstranten die Forderungen der Pflegebeschäftigten. Mitglieder von ver.di und der Basisgewerkschaft Freien Arbeiterinnen und Arbeiter Union (FAU) halten Transparente hoch. Zwischen ihnen tagt der simu- lierte Betriebsrat zu acht an einem mit Zetteln und Kaffeetassen überladenen Tisch. Ein Sitzungsteilnehmer fordert Berichterstattung über die laufenden Verhandlungen mit dem Senat, erhält jedoch keine zufriedenstellende Antwort. »Keine Ahnung«, heißt es nur, »wir werden nicht gefragt und nicht informiert«.
Selbst teilnehmen dürfen die Betriebsratsmitglieder an den Verhandlungen über die Erhöhung ihrer Tarife nicht. Bei den letzten Verhandlungen im Jahr 2011 holten sie sich das Recht, indem sie sich einfach in den Verhandlungsraum setzten. Doch in der aktuellen Runde werden ihnen nicht einmal die Termine für die Sitzungen genannt.
Für Uta Wehde, Geschäftsführerin von »ambulante Dienste«, ist das kein Problem. »Die Beteiligung der Betriebsräte ist nicht üblich. Wir informieren die Mitarbeiter aber regelmäßig über den Stand der Verhandlungen«, sagte Wehde, die an der Kundgebung ihrer Mitarbeiter teilnahm. Wann die aktuelle Tarifrunde endet, ist ungewiss. Wehde sieht deren Ausgang indes zuversichtlich entgegen. »Die Verwaltung war offen gegenüber unserer Forderung.« Der Vertrag soll nur ein Jahr gültig sein, und die Träger wollen direkt in die nächsten Verhandlungen einsteigen.