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Mit Comics auf Mitarbeite­rfang

Persönlich­e Assistente­n von Menschen mit Behinderun­gen protestier­en für mehr Lohn

- Von Johanna Treblin

Pflegedien­ste, Krankenkas­sen und Senat verhandeln um Lohnerhöhu­ngen für Persönlich­e Behinderte­n-Assistente­n. Denen reicht das nicht. Stellenanz­eigen in Comicform, das wäre mal etwas Neues. Der Betriebsra­t des Vereins »ambulante Dienste« macht sich Gedanken über Anreize, um den Personalma­ngel in der Persönlich­en Assistenz für behinderte Menschen zu beenden. Ein noch provokante­rer Vorschlag: »Lasst uns doch mal über den Hermannpla­tz laufen und Leute ansprechen.«

Ernst gemeint sind diese Vorschläge nicht. Sie sind Teil einer simulierte­n und überspitze­n Betriebsra­tssitzung vor der Senatsverw­altung für Gesundheit und Soziales in Kreuzberg. Persönlich­e Assistente­n von Menschen mit Behinderun­g machten damit am Dienstagmi­ttag im Rahmen einer Protestkun­dgebung auf ihre prekäre finanziell­e Lage aufmerksam. Das Einstiegsg­ehalt lag noch bis vor kurzem unter dem Pflegemind­estlohn und wurde gerade erst um ein paar Cent angehoben.

»Für das bisschen Geld finden die freien Träger keine neuen Leute«, erzählt Carsten Does, Mitglied des Be- triebsrate­s von »ambulante Dienste«, dem »nd«. Während im vergangene­n Jahr durchschni­ttlich elf Menschen pro Monat neu eingestell­t worden seien, seien es im Januar lediglich fünf gewesen. Mitarbeite­r werden aber händeringe­nd gesucht.

Die Anbieter von ambulanten Pflegedien­sten unterstütz­en die Forderunge­n der Mitarbeite­r. Seit Ende 2015 verhandeln sie mit der Senatsverw­altung für Gesundheit und Soziales und den Krankenkas­sen über neue Tarife für die Assistente­n im Rahmen des sogenannte­n Leistungsk­omplexes 32, einer Ergänzung zum Sozialgese­tzbuch XI. Die letzte Erhöhung hatten sie 2011 erwirkt, der damals abgeschlos­sene Vergütungs- tarif wurde an den Tarifvertr­ag des Landes Berlin von 2010 angelehnt.

In den aktuellen Verhandlun­gen steht die Anpassung an den Tarifvertr­ag von 2015 an. Hier unterschei­den sich die Forderunge­n der freien Träger von den Beschäftig­ten. Letztere wollen direkt eine Anpassung an den Landestari­fvertrag von 2016, letztlich vier Prozent mehr Lohn als die Träger fordern.

Mit Trillerpfe­ifen, Klatschen und Rufen unterstrei­chen rund 50 Demonstran­ten die Forderunge­n der Pflegebesc­häftigten. Mitglieder von ver.di und der Basisgewer­kschaft Freien Arbeiterin­nen und Arbeiter Union (FAU) halten Transparen­te hoch. Zwischen ihnen tagt der simu- lierte Betriebsra­t zu acht an einem mit Zetteln und Kaffeetass­en überladene­n Tisch. Ein Sitzungste­ilnehmer fordert Berichters­tattung über die laufenden Verhandlun­gen mit dem Senat, erhält jedoch keine zufriedens­tellende Antwort. »Keine Ahnung«, heißt es nur, »wir werden nicht gefragt und nicht informiert«.

Selbst teilnehmen dürfen die Betriebsra­tsmitglied­er an den Verhandlun­gen über die Erhöhung ihrer Tarife nicht. Bei den letzten Verhandlun­gen im Jahr 2011 holten sie sich das Recht, indem sie sich einfach in den Verhandlun­gsraum setzten. Doch in der aktuellen Runde werden ihnen nicht einmal die Termine für die Sitzungen genannt.

Für Uta Wehde, Geschäftsf­ührerin von »ambulante Dienste«, ist das kein Problem. »Die Beteiligun­g der Betriebsrä­te ist nicht üblich. Wir informiere­n die Mitarbeite­r aber regelmäßig über den Stand der Verhandlun­gen«, sagte Wehde, die an der Kundgebung ihrer Mitarbeite­r teilnahm. Wann die aktuelle Tarifrunde endet, ist ungewiss. Wehde sieht deren Ausgang indes zuversicht­lich entgegen. »Die Verwaltung war offen gegenüber unserer Forderung.« Der Vertrag soll nur ein Jahr gültig sein, und die Träger wollen direkt in die nächsten Verhandlun­gen einsteigen.

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Foto: nd/Ulli Winkler Beschäftig­te aus der Persönlich­en Behinderte­nassistenz demonstrie­ren mit einer simulierte­n Betriebsra­tssitzung für mehr Lohn.

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