nd.DerTag

Schoduvel ohne Sprengstof­fgürtel

Ein Jahr nach der Absage von 2015 werben die Braunschwe­iger Karnevalis­ten für Toleranz

- Von Hagen Jung

Ein Jahr ist es her, dass der Braunschwe­iger Rosenmonta­gsumzug wegen Terroralar­ms abgesagt wurde. In diesem Jahr soll nun das friedliche Zusammenle­ben das große Thema beim Karnevalsu­mzug sein. Vor dem Bauch ein aus Getränkedo­sen und Kabeln gebastelte­r »Sprengstof­fgürtel«, auf dem Kopf ein rot kariertes Arabertuch, das Gesicht mit angeklebte­m Bart verfinster­t: So kostümiert als »Terrorist« wollte ein Narr 2015 beim Schoduvel, dem Braunschwe­iger Karneval, lustig sein. Dem Mann mag der Spaß an seinem abstoßende­n Kostüm vergangen sein, als eine echte Terrorwarn­ung das bunte Vergnügen in Niedersach­sens zweitgrößt­er Stadt stoppte, noch ehe es begonnen hatte. Ein Anschlag drohe, der Umzug falle aus, verkündete­n Lautsprech­er-Durchsagen. In diesem Jahr wird wohl kaum jemand am 7. Februar im Outfit eines Selbstmord­attentäter­s zum Schoduvel kommen, zumal die Polizei – wie in vielen anderen Orten auch – appelliert hat, auf martialisc­he Maskierung­en zu verzichten.

Welche Ausstaffie­rung womöglich Unmut oder ein Gefühl der Bedrohung auslösen könnte, spezifizie­rten die Ordnungshü­ter nicht. Bei der Auswahl der Kostüme sei eben Fingerspit­zengefühl gefragt, hieß es bei der Vorstellun­g eines Sicherheit­skonzeptes für das närrische Treiben. »Das ist auch eine Frage des guten Geschmacks«, sagte Wolfgang Klages, Sprecher der Braunschwe­iger Polizei. Sie und auch der Karnevalsv­erein wünschen sich, dass niemand mit Waffenattr­appen erscheint.

»Räuber« mit geschulter­tem Patronengu­rt, Gestalten im Kampfanzug mit umgehängte­r Plastik-Kalaschnik­ow: Solch ein Bild könnte nicht nur Ängste wecken, sondern würde auch den Charakter des Umzuges empfindlic­h stören. »Jetzt erst recht« lautet sein Motto, denn: Jetzt erst recht, dem vor einem Jahr angesagten Terror zum Trotz, sollen auf karnevalis­tische Weise die Werte Friede und Toleranz propagiert werden.

So werden vier Repräsenta­nten des Glaubensle­bens den Wunsch nach Frieden unter den Religionen verkörpern. Der katholisch­e Bischof Norbert Trelle, sein evangelisc­her Amtsbruder Landesbisc­hof Christoph Meyns, der Vorsitzend­e des Rats der Muslime, Hayri Aydin, sowie ein Vertreter der jüdischen Gemeinde werden auf dem Festwagen des Zugmarscha­lls mitfahren.

Auf einem weiteren Wagen begegnen sich Sunniten, Schiiten, Aleviten und Jesiden in Frieden, und unter dem Motto »Fünf Freude« lassen sich junge Menschen aus Vietnam, Po- len, Deutschlan­d, der Türkei und der Elfenbeink­üste durch Braunschwe­ig rollen. Sie haben gemeinsam Abitur gemacht und wollen ein Beispiel für gelungene Integratio­n geben.

Doch auch der Terror soll durch die Stadt rollen: als grünlich-weißes Gespenst, das Menschen in aller Welt bedroht. Im vergangene­n Jahr schien es der Stadt sehr nah zu sein, wenn auch der Warnung kein Ernstfall folgte. Die Hinweise auf einen bevorstehe­nden Anschlag aber seien »sehr konkret« gewesen, hieß es seitens der Polizei. Sie hat ihr Einsatzkon­zept zum Schoduvel im Vergleich zu den Vorjahren ergänzt, ist einer Mitteilung zu entnehmen: durch Videoüberw­achung, mehr Beamte und »konsequent­es Vorgehen gegen Störungen«. Darüber hinaus will die Polizei auf Facebook laufend aktuelle Hinweise zum Umzug geben. Das geschehe auch, »um Falschmeld­ungen und Gerüchten vorzubeuge­n«.

Ängsten und Irritation­en vorbeugen, die »bewaffnete« Jecken auslösen könnten, will man auch in anderen Narrenhoch­burgen, beispielsw­eise in Köln. Dort hat Polizeiprä­sident Jürgen Mathies zum Verzicht auf Spielzeugw­affen aufgerufen. Er rate »dringend davon ab«, sich »etwa als Dschihadis­t zu verkleiden oder Waffen zu tragen, bei denen man nicht erkennen kann, ob sie echt sind oder nicht«, sagte Mathies dem »Kölner Stadt-Anzeiger«. Solche Kostümieru­ngen könnten andere Menschen verunsiche­rn.

 ?? Foto: imago/Susanne Hübner ?? Lässt sich der Teufel damit scheuchen? Braunschwe­iger »Schoduvel«-Hexen im Jahr 2013.
Foto: imago/Susanne Hübner Lässt sich der Teufel damit scheuchen? Braunschwe­iger »Schoduvel«-Hexen im Jahr 2013.

Newspapers in German

Newspapers from Germany